Die Slowakei hat sich gut vorbereitet: Die Flüchtlinge aus der Ukraine bekommen Lebensmittel, Unterkünfte stehen bereit. Doch die Sorge um die Menschen in der Heimat bleibt groß.
Wolodimir Ivanov ist einer der wenigen Männer, die in Vyšne Nemecké über die ukrainisch-slowakische Grenze kommen. Er sitzt erschöpft auf einem der Stühle für Flüchtlinge. Als ihm einer der freiwilligen Helfer einen Kaffee und ein belegtes Brot reicht, bricht er in Tränen aus.
Wolodimir Ivanov ist über 70, damit nicht wehrfähig und seit fast zwei Tagen unterwegs. Am 24. Februar, früh am Morgen, begann sein Haus plötzlich zu beben, erzählt er. "Ich dachte erst, die feiern wieder in dem nahen Jugendclub, mit Feuerwerk und so", aber dann begann das Haus zu bröckeln, in Teilen einzustürzen.
Alle rannten auf die Straße, warfen Sachen in ihre Autos und fuhren weg. Auch Wolodimir Ivanov raffte das Nötigste zusammen, und kam mit Bus und Bahn hierher. Nun will er nach Frankreich, aber in der Eile hat er die Adressdaten seiner Geschwister vergessen, die dort leben.
Hilfsorganisationen versorgen Flüchtlinge
Es helfen ihm Freiwillige, das Rote Kreuz, Malteser, sie bauen Anlaufstellen auf, vermitteln Transporte, verteilen Windeln, Lebensmittel, sogar Kuscheltiere. Es sind Dutzende, die Hilfsbereitschaft ist riesig. Trotzdem ist fraglich, ob die Helfer dem Ansturm Herr werden, denn es sind bisher etwas über Zehntausend, die in die Slowakei eingereist sind, und es sind Hunderttausende auf der Flucht.
Die slowakische Regierung hat ein erstes Hilfspaket auf den Weg gebracht: Es bietet unter anderem Hilfen für Vermieter, die Flüchtlinge unterbringen und einen Härtefall-Fonds für Flüchtlinge. Ukrainer dürfen außerdem die Bahn kostenlos benutzen.
Es sind fast nur Frauen und Kinder, die hier ankommen. Sie zerren riesige Rollkoffer hinter sich her, die Kinder haben oft ein eigenes Einhorn- oder "Cars"-Köfferchen. Sie spüren trotzdem, dies ist keine Urlaubsreise. Alle erzählen von mehreren Stunden Wartezeit, die Autoschlange soll bis ins Zentrum der nahegelegenen Stadt Ushgorod gehen. Denn auch wenn die Beamten schnell machen: Jeder Reisepass wird bei der Ausreise kontrolliert und bei der Menge der Leute führt das zu Rückstau.
Von Wartezeiten an der Grenze über 24 Stunden berichtet Natalie Steger, ZDF-Korrespondentin in Polen, bis zu 12 Stunden in der Slowakei, so ZDF-Korrespondentin Britta Hilpert.
Krieg trennt Familien
Anastacia ist Chemiestudentin, Freunde ihrer Eltern haben sie mit ihrem riesigen Koffer bis an die Grenze gefahren. Die Eltern konnten das selbst nicht tun, denn beide dienen in der Armee. Ihre Stimme bricht ein bisschen, als sie erzählt, wie hart es war, die Eltern, den 13-jährigen Bruder und den Hund zurückzulassen. Trotzdem sagt sie, sie mache sich keine Sorgen, denn in der Ukraine sei alles unter Kontrolle. Ihre Seite würde siegen, zeigt sie sich überzeugt.
Es gehe nicht nur um Maschinen, es gehe auch um die Menschen, sagt Anastacia. "Ich würde auch kämpfen, wenn es sein muss, wenn meine Eltern und Bruder angegriffen würden. Aber so weit wird es nicht kommen." Das ist ihre Hoffnung.
Unterkünfte für Flüchtlinge stehen bereit
Doch die Slowakei bereitet sich auf Schlimmeres vor: Eine Zeltstadt wurde nahe des Grenzübergangs eingerichtet mit 500 Betten, weitere Unterkünfte weiter im Inland stehen bereit. Ein erstes Kontingent von 150 deutschen Soldaten ist auch unterwegs, um ein Patriot-Luftabwehrsystem an der slowakisch-ukrainischen Grenze einzurichten. Außerdem ist nun geplant, rund 1.200 Nato-Truppen entlang der Grenze zu stationieren.
Auch in Deutschland wird eine heftige Flüchtlingswelle aus der Ukraine erwartet. Die ersten Geflüchteten erreichten heute unter anderem Berlin.
Man sieht auch am Grenzübergang bewaffnete slowakische Soldaten, sie haben alle Hände voll zu tun. Denn die Frauen und Kinder, die da kommen, immer noch und immer mehr, brauchen Hilfe beim Tragen. Denn auch, wenn sie hoffen, dass sie nicht lange fern der Heimat bleiben müssen, vorbereitet sind sie darauf.
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