Ein Jahr nach der Flutkatastrophe läuft der Wiederaufbau. Doch die benötigten Spendengelder kommen nur langsam bei den Menschen an. Warum ist das so und was muss sich ändern?
Nach der Jahrhundertflut war die Hilfsbereitschaft riesig. Laut einer Umfrage des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) wurden bislang rund 655 Millionen Euro gespendet - mehr als jemals zuvor nach einer Katastrophe in Deutschland.
Inzwischen herrscht aber bei vielen Betroffenen Ernüchterung. Nur ein Teil der privaten Spenden wurde bisher ausgezahlt, viele warten auf Versicherungsgelder oder Hilfe von Bund und Ländern. Eine Betroffene erzählte im Juli dem ZDF:
Die Umfrage bestätigt die Probleme mit der Bürokratie. Mehr als die Hälfte der befragten Spendeneinrichtungen - darunter auch das "Aktionsbündnis Katastrophenhilfe" und die "Aktion Deutschland Hilft"- beklagen die Abstimmungsprozesse mit anderen Institutionen.
Kaum ein Unglück hat uns so erschüttert wie die Flut, die im Juli 2021 Ahrtal, Eifel und Voreifel verwüstete. Wie geht es den Menschen ein Jahr nach der Katastrophe?
Winzer und ihr "Flutwein": durften Spenden lange nicht auszahlen
Grund dafür ist das Nachrangigkeitprinzip. Das regelt, wann welche Gelder ausgeschüttet werden. Zuerst müssen Versicherung oder staatliche Wiederaufbauhilfe für die Schäden aufkommen, erst danach dürfen private Spendengelder verteilt werden. Durch die Soforthilfe konnten Privatpersonen zwar bis zu 5.000 Euro erhalten, das reicht aber oft nicht aus. Zudem können keine gesammelten Spenden an Unternehmen ausgezahlt werden.
Das mussten auch die Winzer im Ahrtal erfahren. Sie hatten mit dem Projekt "Flutwein" rund 4,5 Millionen Euro an Spenden gesammelt. Doch der dafür verantwortliche gemeinnützige Verein durfte diese Gelder nicht an die Unternehmer ausschütten. Das dringend benötigte Geld blieb ungenutzt auf dem Konto. Erst eine Sondergenehmigung im März dieses Jahres änderte das.
Wie Geschädigten effektiv geholfen werden kann, beschäftigt auch die Hilfsorganisationen. Dominique Mann, Geschäftsführer des Aktionsbündnisses Katastrophenhilfe, bestätigt, dass von den 163 Millionen Euro, die das Bündnis gesammelt hat, bereits mehr als die Hälfte verausgabt oder fest verplant sei. "Die Frage, ob Kleinstunternehmen auch Spenden erhalten sollen, kann man diskutieren. Aktuell stellt sich die Frage für uns aber nicht."
"Was letztes Jahr passiert ist, ist keine Ausnahme. Das wird wieder passieren. Und das regelmäßiger", sagt Mara aus Bad Neuenahr-Ahrweiler über die Flutkatastrophe in ihrer Heimat.
Gesetzesnovelle von Christian Lindner gefordert
Der Deutsche Fundraising Verband macht sich derweil für die Unternehmen stark und sieht die Politik in der Pflicht. Die bürokratischen Blockaden und rechtlichen Hürden müssten endlich beseitigt werden, schreibt der DFRV. Bundesfinanzminister "Christian Lindner muss sich fragen lassen, ob er […] dieses Engagement […] weiter ausbremsen möchte, oder mit einer Modernisierung des Gemeinnützigkeitsrechts das volle Potenzial der Zivilgesellschaft erschließen möchte", so der Vorsitzende Martin Georgi.
Das Gemeinnützigkeitsrecht legt hierbei fest, welche Organisationen als gemeinnützig gelten. Aktuell sind in der sogenannten Abgabenordnung dafür Zwecke festgelegt - die Katastrophenhilfe fehlt in dieser Auflistung allerdings. Deshalb müssen in solchen Fällen alle Bundesländer Ausnahmeregelungen treffen. Veraltet, findet der Verband und fordert eine grundsätzliche Regelung, wodurch auch Unternehmen Spendengelder erhalten könnten.
Dem schließt sich die Vorstandsvorsitzende von "Aktion Deutschland Hilft" Edith Wallmeier an:
Ein Jahr lang begleitet Eva Brenner drei Familien, deren Leben durch die Flut im Ahrtal auf den Kopf gestellt wurde. Ihre Häuser sind zerstört und müssen wiederhergerichtet werden.
Rheinland-Pfalz: Bund sei jetzt gefragt
Das Finanzministerium Rheinland-Pfalz verweist derweil auf die Wiederaufbauhilfe des Landes. Allein in Rheinland-Pfalz stünden 15 Milliarden Euro bereit, um auch Unternehmen zu unterstützen. Zudem sei die Steuerverwaltung des Landes bei Auszahlungen von gesammelten Mitteln an Unternehmen um Lösungen bemüht.
Das Landesministerium verweist auf den Bund. Dort hätte man sich für steuerliche Erleichterungen für Spenden und Spendenaktionen eingesetzt. Eine Änderung des geltenden Spendenrechts müsse allerdings durch Bundesrecht erfolgen.