In zwei Wochen sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen. Amtsinhaber Emmanuel Macron profitiert im Wahlkampf von seinem Image als Beschützer der Nation im Ukraine-Krieg.
Einen solchen Präsidentschaftswahlkampf hat Frankreich noch nicht erlebt. Kurz vor den beiden Wahlgängen am 10. und 24. April werden die innenpolitischen Themen überlagert. "Der Krieg in der Ukraine verändert die Dynamik dieses Wahlkampfes", sagt Benjamin Morel, Politikwissenschaftler an der Pariser Sorbonne dem ZDF:
Hinzu komme, dass Emmanuel Macron sich als Staatsmann präsentiere. Er verhandelt mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Er schmiedet Allianzen. Macron bespielt die weltpolitische Bühne, während seine politische Konkurrenz in Frankreich mühsam um Aufmerksamkeit ringen muss.
In eineinhalb Monaten sind in Frankreich Präsidentschaftswahlen. Der Krieg in der Ukraine lässt Macron kaum Zeit für Wahlkampf, trotzdem bleibt sein Favoritenstatus gestärkt.
Wer hat die Hand auf Frankreichs Atomwaffen?
Hinzu kommen weitere Effekte: Frankreich ist, auch daran erinnert der Krieg in der Ukraine, Atommacht. Bei der Präsidentschaftswahl geht es auch darum, wer Chef der Armee wird und damit das Sagen über Frankreichs Atombomben hat.
Macron kennen die Franzosen. Und auch wenn sie in der Vergangenheit viel an seinen innen- und sozialpolitischen Reformen auszusetzen hatten: Selbst Kritiker bescheinigen ihm, in der Diplomatie rund um den Krieg in der Ukraine eine gute Figur zu machen. In Umfragen legte Macron nach Beginn des Krieges deutlich zu.
Macrons Konkurrenten müssen Fragen zu Russland-Haltung beantworten
Das liegt auch daran, dass wichtige Konkurrenten Macrons peinlich an ihre vergangenen Positionen zu Russland und seinem Präsidenten Putin erinnert werden. Die rechtspopulistische Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen hatte stets viel Verständnis.
Im Juni 2013 sagte sie in Moskau: "Russland wird oft diabolisch dargestellt. Wie eine Art Diktatur. Ein völlig geschlossenes Land. Das entspricht objektiv nicht der Wirklichkeit."
- Rückt die Grande Nation nach rechts?
Einwanderung, Islamisierung - Marine Le Pen und Éric Zemmour werben mit ähnlichem Schwerpunkt um Stimmen. Doch noch jemand rückt nach rechts - kandidiert aber offiziell noch nicht.
Herausforderer stellen sich nicht allen Fragen zu Russland
Und noch nach der Annexion der Krim sagte sie 2017, ebenfalls in Moskau: "Die ersten Maßnahmen, die ich gegenüber Russland ergreifen würde, wäre, die Aufhebung der Sanktionen zu erwägen, da ich immer gegen diese Sanktionen war, die ich sowohl ungerecht finde wie kontra-produktiv."
Le Pen traf sich gerne mit Wladimir Putin, weil das ihre außenpolitische Kompetenz unterstreichen sollte. Und Putin traf sich gerne mit Le Pen, weil das die radikalen Kräfte in Frankreich unterstützte. Hinzu kommt, dass Le Pen sich ihren vergangenen Wahlkampf mit Hilfe eines Darlehens einer russischen Bank finanzierte. Heute danach gefragt, reagiert sie gereizt.
Le Pen weicht Fragen zu Geldfluss aus Russland aus
Auf unsere Frage, ob es sie heute angreifbar mache, dass sie als einzige der Kandidaten im Präsidentschaftswahlkampf Geld aus Russland angenommen hatte, sagt Le Pen: "Ich habe kein russisches Geld genommen."
- Wer zieht in den Élysée-Palast?
In Frankreich wird im April ein neuer Präsident oder eine neue Präsidentin gewählt. Amtsinhaber Macron hat in Umfragen zugelegt. Die Rechtspopulistin Le Pen liegt dahinter.
Auch Mélenchon kann nicht auf jede Frage nach Russland antworten
Nicht so gerne an seine russlandfreundlichen Positionen wird auch Jean-Luc Mélenchon erinnert, der Präsidentschaftskandidat der französischen Linkspartei, La France Insoumise. Noch kurz vor dem Einmarsch der Russen in der Ukraine sagte er:
Viel Verständnis für Russland, viel Kritik für die Nato - das war stets Mélenchons Linie. Auf unsere Frage, ob er die Gewalt von Putin unterschätzt habe, antwortete Mélenchon im Wahlkampf:
"Nein, im Gegenteil, ich habe sie vor allen anderen begriffen. Vor zehn Jahren habe ich das schon vorausgesagt." Bei Nachfragen zu seiner Kritik an der Nato und Sanktionen gegen Russland endete Melenchons Auskunftsfreude abrupt. Und er ließ uns stehen.
Macron gibt den Staatsmann
Auch Éric Zemmour, der rechtspopulistische Präsidentschaftskandidat, hatte noch bis kurz vor der Invasion der Russen in die Ukraine gesagt, Russland habe kein Interesse an einem Krieg. Er wette, es werde nicht dazu kommen. Wiederholt hatte Zemmour die Nato und die USA kritisiert und Putin gelobt.
Eine Reihe von Gegenkandidaten hat also heute viel Erklärungsbedarf. Emmanuel Macron umgibt sich derweil ganz mit der Aura des Staatsmannes in Kriegszeiten. Er besucht ukrainische Flüchtlinge, die Frankreich aufgenommen hat. "Wir werden alle beschützen, die bei uns im Land ankommen", verspricht er.
Innenpolitische Fragen spielen kaum eine Rolle
Ganz nebenbei rücken so innenpolitische Themen in den Hintergrund. Die Kaufkraft - wer kann wieviel ausgeben - war bis zum Beginn des Krieges die wichtigste Frage des Wahlkampfes. Jetzt taucht sie am Rande des Krieges wieder auf - wer will wie dafür sorgen, dass die steigenden Energiepreise die Franzosen nicht allzu sehr belasten?
Macrons Regierung gibt mehr als 20 Milliarden Euro aus - für Benzinpreissubventionen, Heizkostenzuschüsse und Beihilfen für Verbraucher und Unternehmen. So erkauft sie sich Ruhe an der Kostenfront. Auch das soll zeigen: Der Präsident beschützt die Franzosen in schwieriger Zeit.
Thomas Walde leitet das ZDF-Studio in Paris.
Die Energiepreise waren bereits vor Kriegsbeginn enorm angestiegen, der russische Invasionskrieg in die Ukraine hat die Preissteigerungen noch weiter verschärft. Wie wird in Frankreich, Italien und Belgien damit umgegangen?