Parlamentswahl in Frankreich:Was Macrons Schlappe für Deutschland bedeutet
von Claudia Oberst
20.06.2022 | 14:12
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Emmanuel Macron hat die Regierungsmehrheit im Parlament verloren und ist künftig auf Koalitionspartner angewiesen. Welche Auswirkungen hat das auf die französische Europa-Politik?
Wenn Emmanuel Macron nächste Woche zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau reist, wird er mit Olaf Scholz nicht nur über internationale Politik, sondern möglicherweise auch über Koalitionsverhandlungen sprechen.
Der französische Präsident kann guten Rat dringend gebrauchen, denn er hat ein Problem, das es in dieser Form seit Jahrzehnten nicht mehr gab in Frankreich: Sein Regierungsbündnis hat die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung verloren.
ZDF-Korrespondent Walde zu Macrons Optionen
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Macron wird sich Verbündete suchen müssen, um Reformen und Gesetze durch das Parlament zu bringen. Das könnte seine ehrgeizigen Pläne, wie etwa das Anheben des Rentenalters auf 64 oder 65 Jahre, ausbremsen.
"Macron hat an Legitimität verloren"
Der Verlust der absoluten Mehrheit wird sich in erster Linie in der Innenpolitik bemerkbar machen. Doch auch außenpolitisch geht Macron geschwächt aus der Wahl hervor.
Ein französischer Präsident, der so kurz nach seiner Wiederwahl keine eindeutige Mehrheit hat, verliert in den Augen seiner Amtskollegen natürlich an Legitimität.
Olivier Rouquan, Politologe
Allerdings geht der Politologe Olivier Rouquan im ZDF-Interview nicht davon aus, dass sich das deutsch-französische Verhältnis durch die veränderte politische Situation in Frankreich verschlechtern wird. Schließlich kenne man sich und wisse, was auf dem Spiel steht.
"Die Regierungschefs der Europäischen Union, und insbesondere Macron und Scholz, sind sich im Klaren darüber, dass sie im Moment besonders eng zusammenarbeiten und zusammenhalten müssen, um die Interessen Europas zu verteidigen", so Rouquan.
Mehr Soziales und Umwelt-Themen auf EU-Ebene
Macron werde sich dafür umso mehr im eigenen Land für seine Außenpolitik rechtfertigen müssen. Das könnte einen Einfluss auf Frankreichs Positionen innerhalb der EU haben. Rouquan geht davon aus, dass Macron stärker auf soziale und ökologische Themen eingehen wird.
Kaum hat Frankreich seinen Präsidenten gewählt, läuft die nächste Abstimmung. Nach einem knappen Ergebnis der ersten Runde geht die Parlamentswahl in die zweite, finale Runde.
FAQ
Tatsächlich hatte der Präsident schon kurz vor seiner Wiederwahl versprochen, sich mehr für die Umwelt einsetzen zu wollen. Der langfristige Umweltschutz sei für ihn der "Kampf des Jahrhunderts", hatte er bei einer Wahlkampfveranstaltung im April verkündet. Seine im Mai ernannte Premierministerin Elisabeth Borne ist nicht nur mit der Regierungsarbeit beauftragt, sondern auch dafür verantwortlich, Frankreich in Sachen Energie-und Umweltpolitik voranzubringen.
Wenn Macron mehr auf ökologische und soziale Themen eingeht, dann auch, weil gerade damit seine Gegner, das linke Nupes-Bündnis um Jean-Luc Mélenchon und die Partei Rassemblement National der Rechtspopulistin Marine Le Pen, bei den Wählern punkten konnten.
Macron bietet keine konkreten Lösungen
Nupes bildet die größte Oppositionsgruppe im Parlament, doch vor allem der unerwartete Erfolg des Rassemblement National, das zum ersten Mal in seiner Geschichte eine Fraktion bildet und damit weiter an Legitimität gewinnt, zeigt, dass Frankreich politisch und gesellschaftlich von tiefen Gräben durchzogen ist.
Rouquan spricht von einer sozialen und territorialen Fraktur, bei der Stadt und Land aufeinandertreffen und Themen wie Kaufkraft und Angst vor Verarmung immer wichtiger werden für die Franzosen.
Macron hat sich geweigert, Wahlkampf zu machen. Und deshalb ist er gescheitert. Wenn man die Parlamentswahl gewinnen will, muss man auf die Bürger zugehen, mit ihnen reden und ihnen konkrete Vorschläge machen.
Olivier Rouquan, Politologe
Der Politologe sieht die zweite Amtszeit des Präsidenten als eine "Bescheidenheitskur". Macron wird lernen müssen, mit dem Parlament zu verhandeln, wenn er seine Politik durchsetzen will.