Das Wählerbündnis von Frankreichs Präsident Macron liegt dem vorläufigen amtlichen Ergebnis zufolge ganz knapp vor der Linksallianz. Die absolute Mehrheit ist Macron nicht sicher.
"Die Franzosen wollen, dass Macron weiterregiert, aber der große Enthusiasmus ist ein bisschen verflogen", sagt ZDF-Korrespondent Thomas Walde zur Parlamentswahl in Frankreich.
In der ersten Runde der französischen Parlamentswahl haben die Kandidaten des Lagers von Präsident Emmanuel Macron minimal mehr Stimmen als die des neuen Linksbündnisses erhalten. Laut dem vorläufigen amtlichen Ergebnis kam Macrons Mitte-Bündnis landesweit auf 25,75 Prozent der Stimmen. Dies teilte das Innenministerium in Paris in der Nacht zu Montag mit.
Die vom Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon angeführte Allianz aus Linken, Kommunisten, Grünen und Sozialisten kam demnach auf 25,66 Prozent und hatte damit hauchdünn das Nachsehen. Der Unterschied betrug gerade einmal 21.442 Stimmen - bei rund 48,7 Millionen Wahlberechtigten.
Wahlbeteiligung liegt bei 47,51 Prozent
Dennoch ist Prognosen zufolge davon auszugehen, dass das Lager des frisch wiedergewählten Präsidenten in der zweiten Wahlrunde am kommenden Sonntag die Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung holen wird. Denn das komplizierte Wahlsystem führt zu teils gravierenden Unterschieden zwischen prozentualem Stimmanteil und Sitzverteilung - und die liberalen Kandidaten haben bessere Chancen, um Stimmenwanderung nach dem Ausscheiden zahlreicher Kandidaten abzufangen.
Ob die Mitte-Kräfte aber ihre absolute Mehrheit im parlamentarischen Unterhaus behalten und damit Macrons Vorhaben leichter umsetzen können, ist ungewiss. Die Wahlbeteiligung lag laut den Zahlen des Innenministeriums bei nur 47,51 Prozent und damit noch niedriger als bei der Parlamentswahl vor fünf Jahren.
Absolute Mehrheit für Macron nicht sicher
Prognosen gehen bei der Sitzverteilung nach der zweiten Wahlrunde in einer Woche von einer deutlichen Mehrheit für das Bündnis des Liberalen aus. Demnach könnte das Macron-Lager auf etwa 255 bis 310 der 577 Sitze in der Nationalversammlung kommen. Unklar ist, ob eine absolute Mehrheit mit mindestens 289 Sitzen erreicht wird.
Das Ergebnis ist zwar ein spektakulärer Erfolg für das neue Linksbündnis aus Linken, Kommunisten, Grünen und Sozialisten angeführt vom Altlinken Jean-Luc Mélenchon. Die Prognosen schreiben ihnen aber nur 150 bis 210 der Sitze zu.
Bei der Präsidentschaftswahl im April war Rechtspopulistin Marie Le Pen, die stärkste Konkurrentin von Macron. Die spielte jetzt keine große Rolle. Der Grund dafür liege auch im französischen Wahlrecht, stellt ZDF-Korrespondent Thomas Walde im heute journal fest. "Laut Gesetzen kann in den 577 Wahlkreisen am Ende nur eine Kandidatin oder ein Kandidat durchkommen. Und der wird nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt. Das heißt es werden diejenigen belohnt, die vor der Wahl Bündnisse schmieden, die Absprachen treffen."
Und das habe Jean-Luc Mélenchons Linkspartei mit den anderen Linken Parteien, den Sozialisten, den Kommunisten und den Grünen getan. "Die haben die politische Landkarte quasi unter sich aufgeteilt."
Mélenchon sieht Macron geschlagen
Zum Verhängnis des Linksbündnisses wird das komplizierte Wahlsystem, das zu teils gravierenden Unterschieden zwischen prozentualem Stimmanteil und der Sitzverteilung führt. Dabei zählen am Ende nur die Stimmen für den Gewinner im jeweiligen Wahlkreis. Die Sitze werden in direkter Wahl vergeben, zumeist in zwei Runden. Die Voraussetzungen, um überhaupt in die Stichwahl zu kommen, sind dabei hart. Institute sehen Macrons Mitte-Bündnis als besser platziert, Stimmen von in der ersten Runde ausgeschiedenen Kandidaten abzufangen.
Mélenchon sieht im Ergebnis der ersten Runde der Parlamentswahl dennoch eine deutliche Niederlage für Macron. "Die Wahrheit ist, dass die Präsidentschaftspartei in der ersten Runde geschlagen und besiegt ist", sagte Mélenchon am Sonntagabend in Paris.
Per Twitter ruft Mélenchon seine Anhänger auf, am kommenden Sonntag an die Wahlurben zu strömen, um die "desaströsen Projekte des Monsieur Macron und 30 Jahre Neoliberalismus zu beenden".
Parlamentswahl bestätigt Präsidentschaftswahl
Macron profitierte trotz Unzufriedenheit mit seiner ersten Amtszeit davon, dass die Parlamentswahl in Frankreich als Bestätigung der Präsidentschaftswahl empfunden wird. So nehmen vor allem Unterstützer des Gewinners an der Abstimmung teil, andere bleiben häufig zuhause.
Zum Nachteil des Linksbündnisses geriet, dass das allgemeine Interesse an der Wahl nur gering war und Macron spät in den Wahlkampf einstieg und wenig Chance zum Angriff gab.
Bei der Parlamentswahl setze sich das fort, was auch schon vor einigen Wochen bei der Präsidentschaftswahl zu beobachten war, stellt ZDF-Korrespondent Thomas Walde im heute journal fest. "Da hat Macron am Ende gewonnen, aber mit geringerem Vorsprung als vor fünf Jahren. Das heißt die Franzosen wollen, dass er regiert. Aber der große Enthusiasmus für ihn ist doch ein bisschen verschwunden."
- Emmanuel Macron
Die Reformpolitik von Frankreichs Präsident Macron ist wegen ihrer mutmaßlich fehlenden sozialen Ausrichtung umstritten. Auch in seiner zweiten Amtszeit setz...
Bei der Parlamentswahl geht es für Macron darum, ob er seine Vorhaben auch in seiner zweiten Amtszeit wird umsetzen können. Diese sind etwa die umstrittene Rentenreform, Kaufkrafthilfen in der Krise sowie dringend nötige Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen.
Minderheitsregierung möglich
Auch die Umweltpolitik will der Liberale stärker in den Fokus rücken, neben erneuerbaren Energien vor allem aber den Ausbau der Atomkraft vorantreiben. Für all das benötigt er eine Mehrheit im Parlament. Die zweite Kammer, der Senat, ist dabei weniger wichtig als die Nationalversammlung und derzeit konservativ geprägt.
Sollten die Stimmen am Ende nur für eine relative Mehrheit reichen, wären der Präsident und die Regierung gezwungen, Unterstützung aus den anderen Lagern zu suchen. Wahrscheinlich ist, dass es dann eine Minderheitsregierung gibt, die sich je nach Vorhaben auf Mitte-Links- oder Mitte-Rechts-Kräfte zu stützen versucht.