Fast ganz Europa atmet kollektiv auf, als klar wird, dass Emmanuel Macron die Wahl in Frankreich gewonnen hat. Dabei wird die Arbeit jetzt nicht leichter.
Bei der französischen Präsidentenwahl konnte sich der amtierende Staatschef Macron gegen die rechtsextreme Le Pen durchsetzen. Er verspricht, Präsident aller Franzosen zu sein.
Als um Punkt 20 Uhr die ersten Hochrechnungen über die Ticker laufen, da wirkt es fast, als beginne ein Wettbewerb quer durch Europa: Welcher Regierungschef, welche Vertreterin der EU gratuliert dem neuen alten Staatsoberhaupt als erste(r)?
Die Auswertung der Zielfotos am Morgen danach ergibt: Es ist der Ministerpräsident des kleinen Nachbarlandes Belgien, Alexander de Croo, der das Rennen gewinnt. Sein Glückwunsch-Tweet datiert von 20:03 Uhr, nur drei Minuten nach der ersten Hochrechnung.
"An diesem Sonntag haben die Franzosen eine starke Entscheidung getroffen", schreibt De Croo auf Twitter. "Sie haben sich für Gewissheiten und für die Werte der Aufklärung entschieden."
Einheit des Westens stand bei Frankreich-Wahl auf dem Spiel
Nun ist es nicht so, als wäre dieses Rennen um den ersten Tweet von irgendeiner Bedeutung, als sei ein Glückwunsch-Tweet um 21 Uhr wie der vom deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz weniger wert als einer um 20.03 Uhr.
Doch, wenn die kleine Rallye eines zeigt, dann dies: Selten war die Anspannung bei einer Wahl quer durch Europa so groß wie bei dieser. Und selten die Erleichterung so groß.
In Frankreich bleibt Präsident Emmanuel Macron für eine zweite Amtszeit an der Macht. "Für mich war es eine Zitterpartie", so Prof. Cornelia Woll (Präsidentin der Hertie School Berlin).
Was für Europa bei dieser Wahl auf dem Spiel stand, das war nichts weniger als die Einheit des Westens, ja vielleicht die Existenz der Europäischen Union - in einem kritischen Moment internationaler Politik. Nicht auszudenken, wenn statt Macron künftig Marine Le Pen zu EU- und Nato-Gipfeln vorgefahren wäre: eine rechtsextreme Politikerin mit engen Verbindungen zu Wladimir Putin.
"Ein wichtiger Sieg für Frankreich, für Europa, für die Demokratie!"
Das erklärt, warum sich die Vertreter der EU-Institutionen nicht wie sonst an europäischen Wahlabenden erst einmal zurückhalten. "Wir können fünf weitere Jahre auf Frankreich zählen!", jubelt EU-Ratspräsident Charles Michel (übrigens bereits um 20.04 Uhr).
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen freut sich, dass sie weiter zusammen mit Macron "Europa voranbringen" kann.
Vielleicht ist es der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der mit seinem Glückwunsch das weitverbreitete Gefühl am besten auf den Punkt bringt: "Ein wichtiger Sieg für Frankreich, für Europa, für die Demokratie!"
Macron hat Europa gerettet - vorerst zumindest.
Was bedeutet die Wiederwahl des französischen Präsidenten für die deutsche Politik? Der Kanzler werde mit Macron einen "durchaus talentierten Konkurrenten um die Nummer Eins in Europa erleben", so Theo Koll, Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin.
Die Arbeit in der EU wird jetzt nicht leichter
An Morgen danach dürfte vielen in Europas Hauptstädten auch klar werden, dass sie zwar der Katastrophe entgangen sind - dass die Zusammenarbeit mit Macron aber nicht einfacher werden wird. Jetzt dürfte Macron noch vehementer auf eine Reform der Fiskalregeln für die Eurozone drängen (was unter anderem dem FDP-Teil der deutschen Bundesregierung große Bauchschmerzen bereitet).
Und auch die Frage dürfte drängender werden, die dieses Wahlergebnis aufwirft: Wie geht Europa mit einem vermeintlich salonfähig gewordenen Rechtspopulismus um?
Er habe die Wut im Volk gehört, sagte der wiedergewählte Präsident Emmanuel Macron. Nach der Feier heute müsse er sich Gedanken um die kommenden Parlamentswahlen machen, um seine Agenda umsetzen zu können, so die Einschätzung von Thomas Walde in Paris.
Was man am Morgen danach sagen kann, ist bestenfalls so viel: Eine einfache Antwort, ein Patentrezept gibt es nicht. Zumal die nächste Wahl in Frankreich schon vor der Tür steht - und mit ihr die Frage, ob Macron eine parlamentarische Mehrheit für seine Reformideen bekommt oder nicht.
Nur von einem EU-Regierungschef kein Glückwunsch
Am Morgen danach fällt schließlich erst recht auf, wer sich unter den Staats- und Regierungschefs nicht zu Wort meldet. Es ist der einzige Verbündete, den Marine Le Pen wohl gehabt hätte: der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Marine Le Pen hat ihre Niederlage bei der Wahl in Frankreich eingestanden. Die Wahl zeige aber auch, wie gespalten Frankreich sei, so die Einschätzung ZDF-Korrespondentin Christel Haas.
Dass bei allen Anderen das Rennen um den ersten Glückwunsch dann doch eine kleine Bedeutung hat, zeigt eine Pressemitteilung des deutschen Regierungssprechers. Bundeskanzler Scholz, so vermeldet er, habe Macron persönlich am Sonntagabend zu seinem Wahlsieg gratuliert - und zwar "als erster ausländischer Regierungschef".
Es ist ein Zusatz, der dem Kanzleramt offenbar wichtig war.