Am Sonntag wählt Frankreich einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Macron und Herausforderin Le Pen haben in einer TV-Debatte zwei gegensätzliche Visionen für Frankreich gezeichnet.
Zweieinhalb Stunden eines Schlagabtauschs waren um, da hielt das Fernsehduell seinen stärksten und vermutlich aufschlussreichsten Moment parat: die extrem rechte Kandidatin Marine Le Pen bekräftigte, dass sie das Kopftuch aus dem öffentlichen Raum verbannt, sollte sie am Sonntag zur Präsidentin gewählt werden.
Macron kontert Le Pen: Damit "zetteln Sie einen Bürgerkrieg an"
Die Reaktion von Emmanuel Macron, der für eine zweite Amtszeit kandidiert, war klar und eindeutig: "Frau Le Pen, mit der Maßnahme zetteln Sie in den Vorstädten einen Bürgerkrieg an. Wollen Sie das erste Land auf der Welt sein, dass das Kopftuch verbietet? Ein Land, von dem die Demokratie ausging." Als Le Pen entgegnete, sie wolle damit die Frauen befreien und die Kriminalität bekämpfen, legte Macron nach:
Ein krachender Schlussakkord vor einem französischen Millionenpublikum an einem Abend, der nahezu alle Themen des vorausgegangenen Wahlkampfs aufgriff. Angefangen mit der Kaufkraft, ein Thema, das viele Französinnen und Franzosen umtreibt. Marine Le Pen plant, alle Bürger*innen an der Zapfsäule und bei den Heizkosten steuerlich zu entlasten: "Ich will jedem Haushalt im Schnitt 150 bis 200 Euro monatlich zurückgeben."
Macrons Pläne für den Aufschwung
Ihr Gegenüber verfolgt ein anderes Modell, um die Kaufkraft zu erhöhen. Neben einer Energiepreisbremse preist Macron Lebensmittelschecks für einkommensschwache Familien an:
Ausgerechnet bei ihrem zentralen Wahlkampfthema geriet Le Pen immer wieder in die Defensive, musste präzise Nachfragen des aktuellen Präsidenten parieren. Das gelang ihr nicht in jeder Situation. Auch beim Streitpunkt Rentenreform nicht - ein Themenfeld, bei dem Macron in den letzten Tagen Zugeständnisse machen musste. Als sich Le Pen verrechnete, zeigte Macron eine Spur von Überheblichkeit: "Jetzt bringen Sie wieder alles durcheinander."
Gesundheitspolitik: Punkt für die Rechte
Die extrem Rechte punktete, als es um Missstände im Gesundheitssystem ging. Sie hielt Macron vor, in seiner Amtszeit ganze Landstriche von der medizinischen Versorgung abgeschnitten zu haben - durch Stellenabbau in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Vor der Pandemie wohlgemerkt. Le Pen kündigte an, 20 Milliarden Euro ins Gesundheitssystem zu investieren.
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Die Unterschiede zwischen beiden Kandidat*innen wurden am deutlichsten bei der Außenpolitik: Macron hielt ein flammendes Plädoyer für ein vereintes, starkes Europa mit einem "deutsch-französischen Motor des Vertrauens".
Die 53-Jährige hingegen forderte ein unabhängigeres Frankreich und eine Abkehr von Berlin und Brüssel - ohne aus der EU auszutreten: "Wir wollen nicht lediglich ein europäisches Schwergewicht sein. Wir wollen eine Weltmacht sein und uns vermehrt Partnern in Afrika widmen, zu denen wir historisch enge Verbindungen haben“.
"Es wird jetzt auf die große Zahl der Unentschlossenen ankommen, auf die, die vor zwei Wochen für niemanden der beiden gestimmt hatten", so Anne Arend, ZDF-Korrespondentin in Paris.
Menschen vom Nachbarkontinent seien in Frankreich aber alles andere als willkommen. Familiennachzug will Le Pen abschaffen, Asylanträge sollen "die Menschen nur noch in Botschaften vor Ort stellen". Am Ende des Duells klang Le Pen wieder wie vor fünf Jahren.
Erinnerungen an TV-Duell 2017
Schon 2017 hatten sich Macron und Le Pen bei den Wahlen gegenübergestanden. Das TV-Duell ebnete damals den Weg für die erste Amtszeit Macrons. Auch weil Le Pen nicht ihren besten Abend hatte. Das vernichtende Urteil nahezu aller Kommentator*innen damals: zu unkonzentriert, zu wenig eigene inhaltliche Akzente, zu scharf im Ton. Fünf Jahre später ist die Ausgangslage eine andere.
Le Pen hat sich diesmal keinen Fauxpas erlaubt. Hinzu kommt, dass viele Französinnen und Franzosen, die mit Macron unzufrieden sind, erst am Wahltag entscheiden, ob sie der extrem rechten Kandidatin ihre Stimme geben oder ungültig wählen. Die Präsidentschaftswahl wird, das hat das TV-Duell eindrucksvoll unterstrichen, zur Richtungswahl: zwischen einem Amtsinhaber, der auf ein starkes Frankreich in einem vereinten Europa setzt und einer Kandidatin mit einem nationalistischen Kurs, der die Interessen Frankreichs alles überordnet.
FAQ- Wie wird in Frankreich gewählt?
Frankreich entscheidet heute, wer das Land künftig regieren soll. Die Präsidentschaftswahl läuft allerdings anders ab, als bei uns. Ein Überblick.