Die Freien Wähler haben Zulauf, vor allem von enttäuschten CDU-Wählern. Das könnte für die Union bei den kommenden Wahlen gefährlich werden.
Die Freien Wähler (FW) sind in drei Landtage bereits eingezogen. Ihre Umfragewerte steigen, bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 6. Juni 2021 könnten sie vor allem der Regierungspartei CDU schaden. Dort liegen CDU und AfD aktuell vorn.
Nico Schulz ist Bürgermeister der Stadt Osterburg in Sachsen-Anhalt. 20 Jahre lang war er Politiker der CDU, saß für die Partei sogar im Landtag. Vor zwei Jahren aber trat er verärgert aus und wechselte zu den Freien Wählern.
"Und da stellen wir Freien Wähler eine gute Option dar", erzählt Schulz.
Erstmals als eigene Partei in den Umfragen
In der jüngsten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen vom 28. Mai 2021 zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt werden die Freien Wähler erstmals als eigene Partei ausgewiesen, mit drei Prozent haben sie statistisch die Chance auf einen Einzug ins Parlament.
Landesvorsitzende Andrea Menke sieht ihre Partei in der Mitte und grenzt sich klar ab von der AfD. Der Landesvorstand habe beschlossen, "dass wir, falls wir den Einzug in den Landtag schaffen, nicht mit der AfD zusammenarbeiten und geschweige denn koalieren werden", so Menke im Interview mit Frontal21.
Freie Wähler grenzen sich von AfD ab
Die Freien Wähler inszenieren sich gern als "Brandmauer“ gegen die AfD. Dennoch fordert die Partei im Bundestagswahlprogramm ein "Verbot der Vollverschleierung" und ein "Ende der Einwanderung in die sozialen Sicherungssysteme".
Für den Bundesvorsitzenden Hubert Aiwanger ist das kein Widerspruch. "Ich glaube, dass die bürgerliche Mitte dieses Thema in der verfehlten Zuwanderungspolitik besetzen muss, um es nicht der AfD zu überlassen", so Aiwanger zu Frontal21. Die AfD sei auch deshalb so stark geworden, "weil die Parteien der Mitte bei diesen Themen versagt haben und eine Lücke aufgemacht haben."
Bereits in drei Landtagen vertreten
In Bayern regieren die Freien Wähler gemeinsam mit der CSU. 11,6 Prozent der Stimmen hatten sie 2018 geholt. In Brandenburg sitzen sie seit 2019 im Landtag, in Rheinland-Pfalz seit dem 14. März 2021. Der Mainzer Fraktionschef Joachim Streit glaubt zu wissen, für wen seine Partei bei der Bundestagswahl attraktiv ist.
Parteienforscher: FW entscheidender Faktor bei Bundestagswahl
Sollte dieser Trend auch in Sachsen-Anhalt bei der Landtagswahl am 6. Juni 2021 und bei der Bundestagswahl am 26. September 2021 anhalten, könnte es für die Union eng werden.
Parteienforscher Jens Walther hat zwei Studien zu den Freien Wählern verfasst. "Wenn die Umfragen so bleiben, dass die Freien Wähler bei drei bis vier Prozent liegen, dann werden sie ein entscheidender Faktor sein", erklärt Walther im Frontal21-Interview. Stimmen für die Freien Wähler würden vor allem der Union fehlen und so das knappe Rennen mit den Grünen beeinflussen.
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Aiwanger: "Wir wollen der CDU/CSU Feuer unterm Hintern machen"
Für Hubert Aiwanger kein Grund, Rücksicht zu nehmen. "Wir sind nicht die Plakatier-Truppe von Laschet, sondern wir sind eine Partei der Mitte." Im Interview mit dem ZDF wird Aiwanger deutlich:
"Es wäre der falsche Weg zu sagen", so Aiwanger, "wir bleiben zu Hause, damit Armin Laschet trotz seines schwachen Auftritts nur ein paar Stimmen mehr bekommt."
Wie sehr die Union die Freien Wähler fürchtet, zeigte sich schon 2006 in Hessen. Der damalige CDU-Ministerpräsident Roland Koch wollte die Freien Wähler davon abhalten, an der Landtagswahl 2008 teilzunehmen. Die Freien Wähler sollten per Gesetz rückwirkend Wahlkampfkostenerstattung für Kommunalwahlen erhalten - unter einer Bedingung: keine Teilnahme an der Landtagswahl.
Kleine Partei mit großer Wirkung?
"Es wurde klar gesagt: Dieses Gesetz kommt nur, wenn ihr euch vorher entscheidet, nicht zu einer Landtagswahl anzutreten", erzählt Michael Kröning von den Freien Wählern Hessen. Er hat es damals miterlebt. Seine Partei trat dann doch mit dem Slogan an: "Roland Koch, wir kommen doch!"
2008 scheiterten die Freien Wähler in Hessen an der Fünf-Prozent-Hürde. Zwölf Jahre später ist der Einzug in Landesparlamente ein erreichbares Ziel.
- Diese Wahlthemen bewegen Sachsen-Anhalt
Am 6. Juni wird in Sachsen-Anhalt der neue Landtag gewählt. Was die Menschen dort bewegt, darüber haben unsere Reporter*innen mit ihnen gesprochen.