In Rom bleiben die Industrie- und Schwellenländer beim Minimalkonsens zum Klimaschutz. Ein starkes Signal blieb aus beim G20-Gipfel in Rom.
Keiner hatte beim G20-Treffen mit großen Sprüngen in der Klimapolitik gerechnet - dafür hatten die Teilnehmer schon im Vorfeld gesorgt, indem sie die Erwartungen ordentlich herunterschraubten. Dennoch gab es vor diesem Gipfel in Rom ein gemeinsames Ziel: Ein starkes Signal wolle man setzen, war zu hören - für die UN-Klimakonferenz in Glasgow.
G20 verantworten 80 Prozent der Treibhausgasemissionen
Denn natürlich ist allen bewusst: Das ist das Mindeste, was die Staats- und Regierungschefs der größten Industrie- und Schwellenländer tun können. Zusammen sind ihre Länder für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wenn sie nicht handeln, ist es um den Klimaschutz schlecht bestellt.
Gereicht hat es nun für wenig mehr als eine gründliche Bestandsaufnahme, wie ein Blick in die gemeinsame Abschlusserklärung zeigt. Die können dafür alle 20 Teilnehmer unterschreiben. Der Text erkennt die Bedeutung von Klimaschutz an, bekräftigt bestehende Ziele, beteuert die Bereitschaft für künftig mehr Engagement zur Reduktion von CO2.
Draghi stolz auf G20-Gipfel
Viel guter Wille neben viel wohl Bekanntem. Doch schon dafür haben die Unterhändler aus Berlin, Washington, Moskau, Peking und 16 weiteren Staaten die ganze Nacht durchverhandelt. Auf das Ergebnis ist der Gastgeber, Italiens Ministerpräsident Mario Draghi, dennoch stolz und erklärt in der Abschlusskonferenz:
Auch die wissenschaftliche Basis dieser Zielmarke sei in Rom erstmals von allen anerkannt worden. In der Gipfel-Erklärung liest sich das wie ein Grundkurs Klimapolitik: "Wir erkennen an, dass die Folgen des Klimawandels bei 1,5 Grad deutlich geringer sind als bei 2 Grad", steht da in Absatz 22, dicht gefolgt von dem Versprechen, noch in diesem Jahrzehnt weitere Maßnahmen zu ergreifen - allerdings nur im Einklang mit "nationalen Umständen".
Auch in Rom: Klimaschutz versus Wirtschaft
Überhaupt ist die "Leader's Declaration" auch ein schriftlicher Beleg für die anhaltend großen Differenzen zwischen denen, die beim Klimaschutz mehr Tempo wollen, und denen, die aus Sorge um die heimische Wirtschaft, die Energieversorgungslage oder die Entwicklungschancen, jeden einzelnen Schritt wohl überlegt sehen wollen. Es seien die Schwellenländer gewesen, verrät Draghi vor laufenden Kameras, die unwillig gewesen seien, weitere Maßnahmen zu ergreifen.
Gleichzeitig ist es den Industrienationen am Verhandlungstisch nicht gelungen, das Geld aufzubringen, das sie ärmeren Ländern schon seit Längerem für den umweltfreundlichen Umbau ihrer Wirtschaft versprochen hatten: 100 Milliarden US-Dollar jährlich sollten seit 2020 fließen, wirklich klappen soll das nun spätestens 2023.
- So verlief die UN-Klimakonferenz in Glasgow
Beschleunigter Klimaschutz, weniger Kohle: Nach zweiwöchigen Verhandlungen hat die UN-Klimakonferenz den "Glasgow-Klimapakt" beschlossen. Wie COP26 verlief - zum Nachlesen im Blog.
Mehr erreichen zu einem möglichst geringen Preis
So ist die Abschlusserklärung auch ein schriftlicher Beleg für das, was mehr Fortschritt bei diesem Gipfel verhindert hat: Alle gemeinsam wollen mehr erreichen, zu einem möglichst geringen Preis. Was für die einen der Schutz von Arbeitsplätzen, ist für die anderen die Versorgung mit billiger Wärme und Strom. Die G20 repräsentieren etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung. Sie im Gleichschritt zu einer klimafreundlichen Lebensweise zu bewegen, schien den Staats- und Regierungschefs in Rom schlicht nicht machbar.
So enthält das Abschlussdokument kein gemeinsames Zieldatum für CO2-Neutralität, der Aufruf zum "sofortigen Handeln" verschwand aus den Vorlagen. Dafür gibt es zahlreiche Hinweise auf "unterschiedliche Herangehensweisen", auf die Notwendigkeit umfangreicher, staatlicher und privater Investitionen und die Risiken eines schnellen Umbaus der Energieversorgung.
Merkels eigenes Fazit
Ein "sehr, sehr gutes Ergebnis" und "ein gutes Signal für Glasgow" findet Angela Merkel in ihrer vielleicht letzten Gipfel-Pressekonferenz, und meint damit wahrscheinlich vor allem, dass es überhaupt gelungen ist, für diesmal alle auf einen Nenner zu bringen - selbst wenn der klar macht, dass sich selbst im Jahr 2021 alle nur auf den wissenschaftlichen Minimalkonsens einigen können.
Tatsächlich ist es alles andere als selbstverständlich, unter der Einigung auch die Unterschrift eines Jair Bolsonaro zu finden, der früher den Klimawandel als Lüge bezeichnete und Umweltzerstörung am Amazonas vorantrieb.
Möglich war das vermutlich durch die Wende, die dieser Gipfel bei der Klimaschutz-Philosophie versucht: Weg vom Festhalten an fernen Zielen, hin zu mehr Veränderung im Hier und Jetzt - so gut, wie es jedem Einzelnen möglich ist. Ob das am Ende dem Klima dient, liegt in den Händen der Unterzeichnerstaaten. Nur ihre Regierungen können halten, was ihr Papier verspricht.
- Daten zum Klimawandel im Überblick
Wie hat sich das Klima bereits verändert? Wie viel CO2 haben die Länder seit 1990 eingespart? Die wichtigsten Zahlen im KlimaRadar von ZDFheute.