Der ehemalige Außenminister Sigmar Gabriel fordert den Bundestag auf, im Ukraine-Konflikt alle Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Dazu zählt er auch mögliche Waffenliefungen.
In Bezug auf den aktuellen Ukraine-Konflikt hat der frühere Außenminister Sigmar Gabriel eine "Diskussion ohne Tabus" gefordert. Auch Waffenlieferungen sollten nicht kategorisch ausgeschlossen werden, sagte Gabriel der "Bild am Sonntag".
"Die Wahrheit ist, man kann sich bei Rüstungslieferungen immer schuldig machen - durch Handeln und durch Nichthandeln", sagte der Sozialdemokrat. "Was wir bei der Ukraine jetzt brauchen, ist eine Diskussion ohne Tabus und Denkverbote in der Öffentlichkeit und im Bundestag. Allerdings auch ohne Einmischung von außen."
Außenministerin Baerbock telefonierte mit ihrem russischen Kollegen Lawrow und der französische Präsident Macron mit Putin. Die Situation bleibt dennoch angespannt.
Waffenlieferungen kontrovers, aber nicht ohne Präzedenz
"Wir Deutschen sind aus guten Gründen eigentlich gegen Waffenlieferungen in Krisengebiete, weil uns die Sorge umtreibt, damit eher Konflikte anzuheizen als zu befrieden", sagte Gabriel. "Aber wir haben uns auch schon anders entschieden: etwa bei den kurdischen Einheiten im Irak, um den Mord an Jesiden zu stoppen."
Deutschland hatte den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat im Irak mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat der Lieferung letaler, also tödlicher Waffen an die Ukraine anders als andere Bündnispartner eine klare Absage erteilt. Das wird von der Ukraine, aber auch von Ländern wie Polen oder den baltischen Staaten kritisiert.
In der Ukraine wächst die Angst vor einem Krieg. Vor allem in der Großstadt Mariupol macht man sich Sorgen, in der Nähe liegen die russische Grenze und die annektierte Krim.
Kritik an der Europäischen Union
Gabriel kritisierte das Auftreten der Europäischen Union im Ukraine-Konflikt. "Wir sind uneinig in der Beurteilung der Situation in der Ukraine, haben Angst um unsere Wirtschaftsinteressen und sind froh, dass andere für uns die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen. Wir Europäer müssen lernen, unsere Interessen selbst in die Hand zu nehmen." Frankreich und Deutschland müssten jetzt ihre Führungsrolle wahrnehmen.
Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarschs in der Nähe der Ukraine wird im Westen befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland planen könnte - Moskau dementiert das. Für möglich wird allerdings auch gehalten, dass nur Ängste geschürt werden sollen, um die Nato-Staaten zu Zugeständnissen bei neuen Sicherheitsgarantien zu bewegen. Die Bemühungen um eine Entschärfung des Konflikts dauern seit Wochen an.