Der Mensch hat der unberührten Natur viel Raum genommen, Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Es braucht wieder mehr Wildnis - und das geht auch im eigenen Garten.
"Alle Gärten in Deutschland miteinander sind so groß wie alle Naturschutzgebiete." - Darum ist Garten-Profi Markus Gastl der Meinung, dass auch unsere heimischen Gärten ganz entscheidend zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen.
Nicole und Armin Amslinger haben ein altes Bauernhaus mit großem Garten geerbt - und wollen vieles anders machen als frühere Generationen. Der alte Bauerngarten soll zum Paradies für Insekten und Wildpflanzen werden, statt nur für den Menschen da zu sein. "Ich möchte nicht auf meiner Welt herumtrampeln," sagt Nicole, "deshalb ist ein Garten für mich ein ganz, ganz, ganz wichtiges Projekt, um den Tieren ein Zuhause zu geben, insbesondere unseren kleinsten und schützenswertesten."
Bei der Umgestaltung orientiert sich die 35-jährige Fotografin an dem Konzept von Markus Gastl. Gastl ist vielfach ausgezeichneter Garten-Experte und Buchautor und betreibt ein Online-Netzwerk für Wildnisgärtner, benannt nach dem lateinischen Wort für Garten: Hortus.
Von Drei-Zonen-Modell überzeugt
Mehr als 700 Menschen haben ihre Gärten bereits nach seinem Vorbild gestaltet. Mit seinem Konzept vereint er die beiden wichtigsten Gartenmodelle: den Naturgarten und die Permakultur. Auf Führungen in seinen eigenen Gärten vermittelt er ökologisches Grundwissen und bringt den zahlreichen Besuchern die Vielfalt, Schönheit und den Nutzen eines solchen Gartens nahe.
Auch die Amslingers hat er von seinem sogenannten Drei-Zonen-Modell überzeugt. Das Prinzip verlangt drei verschiedene Bereiche: das Magerbeet - oder auch Hotspot-Zone -, auf dem sowohl heimische Wildpflanzen wachsen als auch Insekten Nahrung und Heimat finden. Die Pufferzone, in der Hecken und Sträucher den Garten vor äußeren Einflüssen schützen. Und die Ertragszone, die für den Menschen da ist: Hier darf und soll er Gemüse, Obst und Kräuter anpflanzen.
Die komplette Doku von plan b:
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Mehr als 100 Wildpflanzarten ausgestorben
Unter Markus Gastls Anweisung legen die Amslingers in ihrem Garten statt üppiger Zierpflanzen das nährstoffarme Magerbeet an - aus zertrümmerten Dachziegeln, feinem Kalkschotter und einigen wenigen Wildpflanzen. Denn insbesondere diese Hotspot-Zonen sind selten geworden - und mit ihnen viele Wildpflanzen. 119 Arten sind laut Bundesamt für Naturschutz in den letzten 150 Jahren bereits ausgestorben.
Jede dritte der noch lebenden Arten ist aktuell bedroht. "Sehr viele Menschen glauben Üppigkeit und Vielfalt braucht guten, fetten Boden", meint Gastl. "In unserer Natur finden sich die reichhaltigsten und buntesten Pflanzengesellschaften auf mageren Böden in Sandgruben, Steinbrüchen und trockenen Hängen von Naturschutzgebieten." Wo fetter nährstoffreicher Boden ist, schaffe es meist nur eine Art sich durchzusetzen - beispielsweise Löwenzahn oder auch Brennnesseln. Einzelne kleine Pflänzchen haben dort meistens keine Chance.
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Kein Einsatz von Bioziden oder Herbiziden
Zu den größten Verlierern gehören dabei meist die einheimischen Arten. Gastl konzentriert sich deshalb in seinem Konzept auf die Pflanzung vorwiegend einheimischer und standortgerechter Arten. Außerdem werden im Hortus weder Biozide noch Herbizide eingesetzt. Viel mehr setzt Gastl auf einen Garten, der als in sich geschlossener Kreislauf funktioniert: So wird der Hotspot-Zone beispielsweise organisches Material entzogen, damit der Boden mager bleibt - was aber wiederum in der Ertragszone zum Düngen des Gemüses zum Einsatz kommt.
Markus Gastl ist sich sicher, dass auch im Kleinen etwas gegen den Verlust der Artenvielfalt getan werden kann. Denn gemeinsam ist die Wirkung sehr groß:
"Und wenn die ökologisch hochwertig wären, dann könnte man wirklich was erreichen, einen riesigen Schritt vorankommen in unserem Schutz und unserem Bestreben, Artenvielfalt für die Zukunft zu erhalten."
Wildnis wagen - auch vor der eigenen Haustür. Ein Weg für eine artenreichere und grünere Zukunft.