Die Entscheidung für Nord Stream sei keine einfache, aber eine vertretbare Entscheidung gewesen, sagt Merkel in einem Interview. Auch zu ihrem Verhältnis zu Putin äußerte sie sich.
Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die umstrittene Entscheidung für den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 trotz der russischen Annexion der Krim verteidigt. "Ich habe nicht an Wandel durch Handel geglaubt, aber an Verbindung durch Handel, und zwar mit der zweitgrößten Atommacht der Welt", sagte Merkel dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Vor diesem Hintergrund habe sie die Pipeline nach den Verhandlungen über das Minsker Friedensabkommen für die Ostukraine für vertretbar gehalten. Es sei aber keine einfache Entscheidung gewesen, sagte Merkel.
Der Westen habe dafür gesorgt, dass durch die Ukraine trotzdem Gas geliefert wurde und sie so weiter Transitgebühren erhalten habe.
Merkel: Wirtschaft wollte kein Flüssiggas aus Nahost
Merkel verwies auf die damals schon hohen Energiepreise durch Förderung der erneuerbaren Energien, den Atomausstieg und den Beginn des Kohleausstiegs. "Die deutsche Wirtschaft hatte sich damals für den leitungsgebundenen Gastransport aus Russland entschieden, weil das ökonomisch billiger war als Flüssiggas aus Saudi-Arabien, Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten und später auch aus den USA."
Politisch sei es darum gegangen, ob anstelle russischen Gases das erheblich teurere und ökologisch umstrittene Flüssiggas "gegen den Wunsch der Wirtschaft, gegen die industrielle Stärke Deutschlands" gekauft werde.
Am Ende kein Einfluss mehr auf Putin
"Wir waren bereit, den Bau von zwei LNG-Terminals in Deutschland mit Steuergeldern zu fördern", sagte Merkel. "Doch bis zum letzten Tag meiner Amtszeit baute kein Unternehmen einen LNG-Terminal in Deutschland, weil sich kein Importeur fand, der wegen des hohen Preises im Voraus langfristige Kapazitäten gebucht hätte."
Merkel räumte in dem Interview ein, dass ihr Einfluss auf Kreml-Chef Wladimir Putin kurz vor ihrem Amtsende schwand. "Es war ja klar, dass ich nicht mehr lange im Amt sein würde, und so muss ich einfach feststellen, dass verschiedene Versuche im vorigen Jahr nichts mehr bewirkt haben", sagte Merkel.
Vermittlungen durch Merkel derzeit nicht gefragt
Putin sei nicht mehr zu einem Gipfeltreffen im sogenannten Normandie-Format mit Vertretern Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs bereit gewesen, sagte die CDU-Politikerin. "Andererseits gelang es mir auch nicht, neben dem Normandie-Format ein zusätzliches europäisch-russisches Gesprächsformat über eine europäische Sicherheitsordnung zu schaffen."
Russland hat sein Nachbarland Ukraine am 24. Februar überfallen. Seitdem gibt es dort einen verlustreichen Krieg, den Russland aber nur militärische Spezialoperation nennt. Auf die Frage, ob sie als Vermittlerin für eine Lösung in dem Konflikt zur Verfügung stehen würde, sagte Merkel dem RND: "Diese Frage stellt sich derzeit nicht."
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