Um ein Fünftel müsse der Verbrauch sinken, um einen Gas-Mangel in Baden-Württemberg zu vermeiden. Ministerpräsident Kretschmann appelliert an die Weitsicht der Bürger.
Baden-Württemberg hat zum Gasgipfel eingeladen. Am Tag, an dem Gazprom meldet, die Gaslieferungen erneut zu drosseln. Indes rückt immer mehr die Diskussion zur Laufzeitverlängerung für AKWs in den Vordergrund sowie die zur europäischen Energiesolidarität.
Ein Fünftel - um diesen Anteil müssten Verbraucher, Wirtschaft und Kommunen ihren Gasverbrauch senken, um eine Mangel-Lage im Winter im Land Baden-Württemberg zu vermeiden. Das ist das Ergebnis des Gasgipfels der Landesregierung, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Montag in Stuttgart erklärte. Man sei auf den "Verstand und die Weitsicht der Bürgerinnen und Bürger angewiesen".
Erst am Nachmittag hatte der russische Gaskonzern Gazprom angekündigt, die durch die Pipeline Nord Stream 1 gelieferte Gasmenge auf 20 Prozent zu senken. Netzagentur-Chef Klaus Müller hatte in der vergangenen Woche angegeben, er rechne mit einer Liefermenge von 30 Prozent.
Kretschmann: Firmen im Süden sollen nicht die "Gekniffenen" sein
Kretschmann zeigte sich auch überzeugt, dass Baden-Württemberg bei einer echten Mangel-Lage nicht benachteiligt werde. Im Gespräch mit dem Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, habe man noch mal hinterlegt, dass die starken Unternehmen im Südwesten nicht die "Gekniffenen" sein dürften.
Zu dem Gasgipfel im Neuen Schloss in Stuttgart waren etwa 40 Vertreter aus der Wirtschaft, von Gewerkschaften, Kommunen und Versorgern eingeladen.
Weder die Grünen noch andere demokratische Parteien wollen zurück zur Atomkraft, sagt Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident von Baden-Württemberg, im ZDF-Interview. Lediglich eine vorübergehende Laufzeitverlängerung werde geprüft.
Netzagentur-Chef: Zusätzliche Anstrengungen nötig
Netzagentur-Chef Müller, der per Video zum Gipfel dazugeschaltet war, hält das Ziel eines Gasspeicher-Füllstands von 90 oder 95 Prozent zum 1. November für unrealistisch. Im besten Fall seien maximal 80 bis 85 Prozent zu erreichen, sagte er nach Angaben von Teilnehmern.
Derzeit liegt der Füllstand bei 65,9 Prozent. Er gab demnach zu bedenken, dass die Füllstände in vielen Nachbarländern niedriger seien. Das Ziel der Bundesregierung und der Netzagentur sei ebenfalls, 20 Prozent Gas einzusparen, um sich für den Winter vorzubereiten.
Mieterschutzbund für Preisdeckel
Wegen der steigenden Gaspreise dringt der Deutsche Mieterbund derzeit auf einen Preisdeckel und einen Kündigungsschutz für Mieter, die drastisch höhere Kosten nicht mehr tragen können. "Wir gehen davon aus, dass es von einer Verdoppelung bis hin zu einer Verdreifachung der Gaspreise kommen kann", so Melanie Weber-Moritz, Bundesdirektorin des Deutschen Mieterbunds im ZDF-Morgenmagazin. Eine Preisobergrenze sei daher notwendig.
Dies allein würde jedoch noch nicht reichen, so Weber. Ihr Vorschlag: "Wir brauchen zusätzliche Maßnahmen wie beispielsweise noch eine Heizkostenpauschale, also ein Zuschuss zum Heizen, für besonders gefährdete Gruppen, also Menschen, die einkommensschwach sind."
Es werde jetzt deutlich schwieriger und teurer, die Gasspeicher auf 90 Prozent zu füllen, sagt Ökonom Jens Südekum im ZDF heute journal.