Wer bekommt wann was? Ein "Doppelwumms" ohne Antwort
Wer bekommt wann was?:Ein "Doppelwumms" - und viele Fragen offen
von Kristina Hofmann
30.09.2022 | 17:07
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Am Tag nach dem 200 Milliarden Euro teuren "Doppelwumms" bleibt die Hauptfrage offen: Wer bekommt wann wie viel Geld? Das Konzert der Meinungen dazu ist vielstimmig.
Wenn konkrete Programme in der Warteschleife sind, bleibt Raum für Spekulationen. 200 Milliarden Euro will die Bundesregierung in die Hand nehmen, um die Energiekrise in den Griff zu bekommen. Damit die Menschen und Unternehmen unter den durch Russlands Krieg gestiegenen Preisen nicht zusammenbrechen. Der Staat könnte ab einer gewissen Grenze die Mehrkosten übernehmen.
Nur, ob das so kommt, ist momentan völlig offen. Auch wann. Eine Kommission soll Vorschläge machen. Bis wann? Regierungssprecher Steffen Hebestreit dämpft die Erwartungen:
Ich kann mich heute nicht auf einen genauen Termin festlegen.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit
Das Bundeswirtschaftsministerium bleibt ebenfalls lieber unkonkret: "Wir warten ab, was die Kommission uns vortragen wird", sagte eine Sprecherin. Und das Ziel? Was soll mit den 200 Milliarden Euro erreicht werden? Auch das scheint nicht so einfach.
Ziel: Preise auf Vorkriegsniveau?
SPD-Vorsitzende Saskia Esken erwartet, dass mit den staatlichen Investitionen, dem laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bezeichneten "Doppelwumms", die Gaspreise wieder auf das Vorkriegsniveau zu bringen. Also bevor Ende Februar Russland die Ukraine militärisch angriff. "Ich hoffe, dass wir die Preise auf ein Niveau senken können, das zumindest vor dem Krieg liegt", sagte Esken bei RTL/ntv.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist da weniger optimistisch: "Man muss ehrlich sagen, wir werden natürlich nicht den Gaspreis so runtersubventionieren können, wie er 2021 war, und zwar sehr lange Zeit nicht", sagte er dem Deutschlandfunk. Gas und Energie werde auch künftig mehr kosten als in den Jahren zuvor. Mit den Maßnahmen werde "eine gewisse Last" genommen, so Habeck.
Aber die komplette Last wird sicherlich nicht genommen werden können, auch nicht mit diesen gigantischen 200 Milliarden Euro.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister
Regierungssprecher Hebestreit bleibt lieber bei dem groben Rahmen: Es gehe darum, "uns alle heil durch die nächsten zwei Jahre zu bringen".
Die EU-Energieminister haben sich auf Notfallmaßnahmen gegen die gestiegenen Strompreise geeinigt. Sie sollen Verbraucher in der Energiekrise entlasten.
Italien findet Berlin unsolidarisch
Klar ist, dass sich die Bundesregierung mit ihrem Unterstützungspaket in der Europäischen Union nicht nur Freunde gemacht hat. Die Länder, die - unabhängig von der am Freitag beschlossenen Strompreisbremse - seit Monaten versuchen, einen europaweiten Gaspreisdeckel durchzusetzen, kritisieren das deutsche Milliarden-Paket. Vermutlich vor allem, weil sie dieses Geld nicht haben. Der Vorwurf Italiens: Berlin sei unsolidarisch in der Krise.
Angesichts der gemeinsamen Bedrohungen unserer Zeit können wir uns nicht aufteilen je nach Möglichkeiten unserer Haushalte
Mario Draghi, Ministerpräsident Italien
Seine Nachfolgerin Giorgia Meloni sieht das ähnlich: "Kein Mitgliedsstaat kann allein effiziente und langwierige Lösungen anbieten ohne eine gemeinsame Strategie, nicht mal jene, die von finanzieller Seite her weniger verletzbar scheinen."
Lediglich 15 Regierungen der EU sind für einen Gaspreisdeckel, das heißt: Sie wollen das Europa gemeinsam Gas auf dem europäischen Markt einkauft. Deutschland lehnt das ab, weil befürchtet wird, dass die Versorgung damit gefährdet ist. Denn niemand könne ausländischen Gaserzeugern vorschreiben, dass sie zu niedrigen Preisen ihr Produkt an Europa verkaufen. Wenn sie woanders mehr erzielen können, werden sie es vermutlich auch woanders verkaufen.
Spahn: "Letzte Patrone" der Ampel
Die deutsche Opposition versucht derzeit einen Mittelweg. Jedenfalls die Union. Sie bot der Ampel-Koalition heute an, das 200-Milliarden-Paket auf dem Gesetzesweg nicht zu blockieren. Sie stimmte auch im Bundestag, wie die AfD, für die Senkung der Mehrwertsteuer auf Gas und Fernwärme auf sieben Prozent.
Trotzdem ist das Hin und Her bei der Gasumlage, überhaupt die vergangenen Streit-Wochen in der Ampel eine Steilvorlage für jede Opposition.
CDU-Politker Mathias Middelberg sprach im Bundestag am Freitag von einem "Schulden-Wumms". Dabei sei die Ampel nur nicht fähig, "intelligent mit den Mehreinnahmen umzugehen". Was konkret nun passieren solle, "weiß zur Stunde keine Socke", so Middelberg. Jens Spahn, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion, nutzte martialische Bilder: Das Paket sei nun "die letzte Patrone" der Ampel-Regierung. Wäre gut, "wenn dieser Schuss auch sitzt".
Linken-Politiker Christian Leye kritisierte ein "Chaos" in der größten Energiekrise:
Die Ampel spielt Kreisligafußball. Und die Hälfte der Mannschaft weiß nicht, in welches Tor sie schießen muss.
Christian Leye, wirtschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion
Debatte um Schuldenbremse
Finanzminister Christian Lindner (FDP) solle vor allem Abschied von der Schuldenbremse nehmen. Die sei "tot", so Leye. Das sieht Lindner völlig anders. Der Minister versicherte im Bundestag: "Hinter dem Abwehrschirm bleiben wir solide."
Das bestätigt ihm am Freitag die Rating-Agentur Moodys: Deutschland bleibe trotz der Schulden kreditwürdig. "Vor dem Hintergrund eines Schuldenstands, der niedriger ist als in anderen europäischen Ländern, bleibt der Anstieg in einem klar verkraftbaren Rahmen“, sagte deren Analyst Steffen Dyck zur Nachrichtenagentur Reuters.
Wegen des Ukraine-Krieges steigen die Energiepreise. Besonders Erdgas wird teurer, weil Deutschland viel aus Russland bezieht. Was können die Verbraucher tun? Tipps gibt's hier.