Habeck (Grüne): Gasumlage ist Zumutung, aber eine gerechte
Gasumlage ab Oktober:Habeck: Eine Zumutung, aber eine gerechte
von Kristina Hofmann
15.08.2022 | 17:04
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Die Gasumlage ist die "gerecht möglichste Form", so Minister Habeck, um die Folgen nach Putins Gas-Drosselung zu tragen. Die Opposition findet das nicht. Sie droht mit Widerstand.
Die Gasumlage sei die "gerecht möglichste Form", so Robert Habeck.
Quelle: Annegret Hilse/Reuters
Sie ist eine "Zumutung", eine "bittere Medizin", das sei unbestritten, sagt Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Trotzdem sei die Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, die ab Oktober die Gaskunden zusätzlich zu den höheren Gaspreisen zahlen müssen, die "gerecht möglichste Form".
Erdgaspreis
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Die Alternative sei nicht, keine Umlage zu erheben, sagte Habeck. Sondern die Alternative sei der Zusammenbruch des deutschen Strommarktes gewesen.
Schuld daran sei, dass man sich in den vergangenen Jahren von russischem Markt abhängig gemacht habe und so "erpressbar" von Russlands "willkürlichen" Gasdrosselungen geworden sei. Nun wieder unabhängig zu werden, sei eine "Kraftanstrengung der ganzen Legislatur", sagte Habeck.
Mehrwertsteuer: Ausgleich bei Veto aus Brüssel
Der Minister rechnet damit, dass pro Jahr im Schnitt
ein Single-Haushalt mit 97 Euro,
ein Zwei-Personen-Haushalt in einer Mietwohnung mit 194 Euro
ein Vier-Personen-Haushalt mit 290 Euro Mehrkosten rechnen müsse.
Die Angaben des Ministers weichen von Berechnungen anderer Stellen ab. Habeck geht von einem deutlich niedrigeren Verbrauch der Haushalte aus. Bei einem Vier-Personen-Haushalt gibt Habeck den Wert bei einem Verbrauch von 12.000 Kilowattstunden an, während andere Berechnungen vor allem 20.000 Kilowattstunden für einen Vier-Personen-Haushalt als Grundlage nehmen:
Quelle: ZDF/iStock
Diese Zusatzkosten seien nicht für alle Menschen "armutsgefährdend", für einige aber schon. Deswegen sei jetzt "gezielte Entlastungen das Gebot der Stunde", sagte Habeck. Sollte die Europäische Union auf die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Gasumlage bestehe, werde die Koalition reagieren:
Jetzt steht es fest: Die Gasumlage ab Oktober wird 2,419 Cent betragen. Wie funktioniert das Prinzip? Was ist zu beachten? Und mit welchen Kosten ist zu rechnen? Ein Überblick.
FAQ
Die Gasumlage in Höhe von 2,4 Cent pro Kilowattstunde müssen alle Gaskunden ab Oktober bis April 2024 bezahlen, unabhängig davon, ob ein spezieller Gaskonzern eine Umlage beantragt hat. Es gelte das "Solidarprinzip", sagte heute eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Ob Kundinnen und Kunden mit Festpreisverträgen ebenfalls zur Kasse gebeten werden können, steht noch nicht fest. "Es gibt noch keine Entscheidung", sagte sie, derzeit gebe es noch Gespräche. Aber: "Wir werden das Problem lösen."
Alle drei Monate soll die Höhe der Gasumlage künftig überprüft werden. Sollte Russland die Gaslieferung weiter drosseln und damit mehr Gasimporteure in Schieflage geraten und die Umlage beantragen, wird diese "sehr wahrscheinlich steigen", so Habeck.
Union: Gasumlage handwerklich schlecht gemacht
Die Opposition droht derweil mit Gegenwehr gegen die Umlage. Sie sei laut Jens Spahn, Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion im Bundestag, "handwerklich schlecht gemacht". Erst führe man die Gasumlage ein und beantrage danach eine Ausnahmeregelung in Brüssel, um die Erhebung der Mehrwertsteuer auf die Umlage auszusetzen. Würden diese "Fehler" nicht "schnell behoben", so Spahn, werde die Union noch im September die Aufhebung der Umlage im Bundestag beantragen.
Es ist fast schon zynisch, dass der Staat noch von seiner eigenen Umlage mitverdient, die die Bürger bezahlen müssen.
Jens Spahn (CDU)
Spahn wirft der Koalition vor, mit Belastungen schnell zu sein, die Entlastungen ließen aber weiter auf sich warten. "Da gibt es nur Streit, keine Entscheidungen", so der CDU-Politiker.
Linke rufen zu Demos gegen Gasumlage auf
Die Linken rufen zu Demonstrationen gegen die Gasumlage auf. Sie sei eine "schallende Ohrfeige in das Gesicht der Menschen mit geringem Einkommen", sagte Parteichef Martin Schirdewan. Deswegen werde man die Proteste unterstützen, "wo wir können, auch mit organisieren". Man wolle die möglichen Proteste im Herbst nicht der extremen Rechten überlassen.
Mit der Gasumlage legt die Bundesregierung die Axt an den sozialen Frieden in diesem Land.
Martin Schirdewan (Linke)
Schirdewan kritisierte, dass die Gasumlage von einer privaten Tochtergesellschaft der Gasversorger, der Trading Hub Europe, festgelegt wurde. Es sei völlig unklar, wer die Gasumlage beantragt habe. "Da muss Habeck unbedingt für Transparenz sorgen", forderte Schirdewan.
Habeck wies am Montag den Vorwurf zurück, die Gasumlage sei in einer Art Black Box zustande gekommen. Die Höhe sei von Trading Hub Europe anhand eines Gesetzes festgelegt worden, Wirtschaftsprüfer und die Bundesnetzagentur hätten die Angaben der Konzerne geprüft. Deren Meldungen unterlägen laut Habeck jedoch dem Geschäftsgeheimnis. Er sprach von zwölf Unternehmen, die die Umlage nun bekommen. Wer das genau ist und welche Berechnungsgrundlage für die Umlage gilt, sagte er nicht.
Ampel bekommt Druck aus dem eigenen Reihen
Strittig bleibt, wie Menschen mit geringem Einkommen entlastet werden können. Niedersachsen Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte, er habe "die klare Erwartung an die Bundesregierung", dass jetzt "sehr schnell" nicht nur über Erhöhung, sondern auch über Entlastung gesprochen werde, "bei denen das besonders weh tut". Zur Gegenfinanzierung brachte er neben der Übergewinnsteuer auch noch einmal die Aufhebung der Schuldenbremse in die Diskussion:
Wenn das jetzt keine Notlage ist, wann hätten wir denn dann eine Notlage? Und für Notlage sieht das Grundgesetz vor, dass der Staat mehr Kredite aufnehmen kann.
Stephan Weil (SPD)
"Die Gasumlage zeigt, dass wir zu wirksamen Entlastungspaketen kommen müssen", so Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).15.08.2022 | 4:45 min
Beides, sowohl die Aufhebung der Schuldenbremse als auch die Übergewinnsteuer hatte Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) bislang abgelehnt.
Sozialverbände forderten zudem, die Hartz-IV-Sätze zu erhöhen, den Wohngeldanspruch auszuweiten und eine Klimapauschale auch für Rentnerinnen und Rentner. Die Gewerkschaft Verdi will den Gaspreis deckeln. Er sollte auf dem Niveau von 2021 bleiben.