Energieversorgung: Gas in Russland nicht für jedermann

    Mängel bei Energieversorgung :Gas in Russland nicht für jedermann

    von Thomas Dudek
    17.08.2022 | 18:14
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    Russland ist der größte Gasexporteur der Welt. Doch ausgerechnet für russische Bürger ist die Gasversorgung nicht selbstverständlich - trotz aller Programme der Politik.

    Russland: Wartung einer Gasleitung
    Das Gasnetz in Russland erreicht nur einen Teil der Haushalte im Flächenland.
    Quelle: Sergei Karpukhin/Reuters

    Seit Russland die Gaslieferungen nach Deutschland stark reduziert hat, wächst in Deutschland und Europa die berechtigte Angst vor einer Energiekrise, bei der die Heizkörper im Winter trotz der nötigen Infrastruktur kalt bleiben könnten.
    Doch so seltsam sich das anhören mag: Es ist ein Problem, das auch russische Bürger sehr gut kennen. Denn ausgerechnet in Russland, das mit 232,5 Milliarden Kubikmetern im Jahr 2020 der mit Abstand größte Gasexporteur der Welt war, ist die Versorgungslage russischer Haushalte mit Gas eher niedrig.
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    Gasversorgung teils unter 20 Prozent des Bedarfs

    Das beschäftigt auch die Politik. Im Oktober vergangenen Jahres bemängelte der Föderationsrat, die höchste Kammer des russischen Parlaments, dass landesweit die Versorgungslage bei durchschnittlich 71 Prozent liege. Dabei gibt es einige Regionen, die es mit 20 Prozent sogar weit unter dem Durchschnitt schaffen.
    So beklagte damals Andrej Kutepow, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Föderationsrat, dass Anfang 2021 in der an Kasachstan grenzenden Region Altai - in der etwa 2,3 Millionen Menschen leben - die Gasversorgung gerade mal bei 13,1 Prozent lag.

    Exporte für Russland wichtiger als Energieversorgung intern

    Die Gründe für die zum Teil schlechte Gasversorgung der Bevölkerung sind vielfältig. Einerseits ist es die Größe des Landes, die es schlicht unmöglich macht, auch entfernte Ortschaften des flächenmäßig größten Staates der Erde mit Gas zu versorgen. Da manche dieser Dörfer auch noch aus nur wenigen Häusern bestehen, ist es auch schlicht unrentabel.
    Zudem kommt, dass Gazprom sich in den vergangenen Jahrzehnten mehr auf den Export - 83 Prozent seines Gases exportierte Gazprom nach Europa - und den Ausbau der dazu benötigten Infrastruktur konzentriert hat als auf den innerrussischen Markt.

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    Mit dem Ergebnis, dass auch viele Häuser in den großen Städten oder deren Umland, wo die benötigte Infrastruktur durchaus vorhanden ist, ebenfalls nicht an das Gasnetz angeschlossen sind. Stattdessen sind diese auf Kohle, Holz oder andere Energieträger angewiesen.

    Putin hat Gratisanschlüsse an Gasnetz angeordnet

    Doch zumindest dies sollte sich nach dem Willen des russischen Präsidenten Wladimir Putin ändern. Im Juni 2021 unterzeichnete dieser ein Gesetz, laut dem bis Ende 2022 alle Häuser, die nicht weiter als 200 Meter von einer Gashauptleitung entfernt liegen, einen kostenlosen Anschluss ans Gasnetz bekommen.
    Realisiert werden soll dieser von dem Monopolisten Gazprom. Die Hausbesitzer müssen dafür nur einen Antrag stellen. Ergänzt wurde das Gesetz der "sozialen Gasversorgung" durch ein weiteres ehrgeiziges Programm, welches den Ausbau der Gasinfrastruktur in ganz Russland zum Ziel hat. Gazprom-Chef Alexej Miller kündigte im vergangenen Jahr gegenüber Putin an:

    Bis Ende 2025 wird in 35 Regionen der Russischen Föderation eine technisch mögliche Gasversorgung von 100 Prozent erreicht sein. Und bis 2030 werden wir ein solches Ergebnis im ganzen Land erreichen.

    Alexej Miller, Chef des staatlichen russischen Energiekonzerns Gazprom

    Gasversorgung in Russland seit Jahrzehnten kaum verbessert

    Es sind ambitionierte Ankündigungen, die nicht neu sind. "Der Grad der Gasversorgung innerhalb des Landes lässt zu wünschen übrig, trotz der Tatsache, dass Russland die größte Gasmacht ist. Dieser Zustand muss geändert werden", erklärte bereits 2005 Dimitrij Medwedew, damals stellvertretender Ministerpräsident und von 2008 bis 2012 russischer Präsident.
    Finanziert werden sollte das Programm durch die 2006 gesetzlich gesicherte Monopolstellung von Gazprom beim Gasexport, das einen Teil seiner daraus resultierenden Gewinne in den Ausbau der Infrastruktur in Russland investieren sollte. Doch aus den ambitionierten Plänen wurde nicht viel.

    Nur ein Fünftel der beantragten Gasanschlüsse ist realisiert

    Von 2015 bis Ende 2020 stieg die Gasversorgung von 66 auf lediglich 71 Prozent. Als einen der Hauptgründe benennen russische Energieexperten die Monopolstellung von Gazprom seit 2006. Und die Zahlen belegen dies: Zwischen 2000 und 2007 stieg die Gasversorgung der russischen Bevölkerung von 51 auf 62 Prozent.
    Und Probleme gibt es auch bei der Realisierung des von Putin im vergangenen Jahr unterzeichneten Gesetzes zur "sozialen Gasversorgung". Vergangene Woche bemängelte Vize-Ministerpräsident Andrej Nowak, dass zwar 950.000 Anträge auf einen Gasanschluss gestellt wurden, von denen 480.000 auch genehmigt wurden, doch realisiert wurden bisher nur 188.000.
    Dass auch die restlichen fast 300.000 noch bis Ende dieses Jahres ans Gasnetz angeschlossen werden, ist eher unwahrscheinlich.  

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