Die Bundesregierung hat die deutsche Gazprom-Tochter unter Treuhandaufsicht der Bundesnetzagentur gestellt. Wie es dazu kam und was der Schritt bedeutet - ein Überblick.
Die Bundesregierung hat die deutsche Tochter des russischen Energiekonzerns Gazprom bis Ende September unter staatliche Aufsicht genommen - die Bundesnetzagentur ist nun Treuhänderin des Unternehmens, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.
Welche Rolle spielt Gazprom Deutschland?
Die Deutschland-Tochter des russischen Gaskonzerns Gazprom besitzt die größten Gasspeicher in Deutschland und spielt eine entscheidende Rolle an allen Schaltstellen der deutschen Gasversorgung: beim Handel, dem Transport und der Speicherung von Gas.
Über Gazprom Deutschland laufen auch Lieferverträge mit Kunden, darunter viele deutsche Stadtwerke.
Warum stellt die Bundesregierung Gazprom Deutschland unter staatliche Kontrolle?
Am Wochenende war bekannt geworden, dass Gazprom seine Deutschland-Tochter an ein unbekanntes außereuropäisches Firmengeflecht verkaufen will. Da dem Wirtschaftsministerium nicht bekannt war, wer rechtlich und wirtschaftlich hinter dem neuen Eigentümer steht und es eine Auflösung des Unternehmens befürchtete, kam das Ministerium mit der Entscheidung, Gazprom Deutschland unter Treuhandaufsicht der Bundesnetzagentur zu stellen, einem Verkauf zuvor.
Welche Folgen hätte der Verkauf von Gazprom Deutschland haben können?
Laut Bundeswirtschaftsministerium wollten die neuen Eigentümer Gazprom Deutschland - eine GmbH nach deutschem Recht - auflösen. Damit wären Lieferverträge hinfällig gewesen, zudem wäre unklar gewesen, wer künftig die rechtliche Hoheit über die großen Gasspeicherkapazitäten hat.
Darüberhinaus ist Gazprom Deutschland Eigentümerin wichtiger Handelsunternehmen der deutschen Gaswirtschaft, wie Wingas und WIEH. Außerdem drohte eine technische Insolvenz von Gazprom Deutschland, weil Banken und Geschäftspartner sich von Gazprom Deutschland abwandten, um nicht in den Sog der Sanktionen gegen Russland zu geraten.
Welche Folgen hat der Engpass für Unternehmen und Verbraucher?
Warum darf die Bundesregierung die Bundesnetzagentur als Treuhänderin einsetzen?
Die Außenwirtschaftsverordnung schützt in Deutschland Unternehmen, die wichtig für die kritische Infrastruktur im Land sind. Mit Blick auf den drohenden Verkauf deutscher Hightech-Unternehmen an China wurde es in den letzten Jahren zunehmend verschärft.
Es erlaubt der Bundesregierung, in besonderen Fällen einzuschreiten. Der Schritt der Bundesregierung ist bislang einmalig und in diesem Fall zunächst bis zum 30. September befristet.
Was bedeutet der Schritt für Gazprom Deutschland?
Das Unternehmen wird nun von der Bundesnetzagentur gesteuert. Sie darf der Geschäftsführung von Gazprom Deutschland Weisung erteilen und die Mitglieder der Geschäftsführung im Zweifel sogar entlassen. Auch das Vermögen des Unternehmens wird eingefroren.
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Im Hinblick auf die Bewirtschaftung der Gasspeicher ergeben sich für die Bundesnetzagentur wichtige Durchgriffsmöglichkeiten: So kann die Regulierungsbehörde die Geschäftsführung von Gazprom Germania anweisen, künftig bestimmte Speicherfüllstände zu erreichen.
In den vergangenen Monaten wurde dem Unternehmen immer wieder vorgeworfen, die Füllstände künstlich niedrig gehalten zu haben, um Gas zu verknappen und auf diese Weise die Versorgungslage zu verschärfen.
Wie rechtssicher ist der Schritt der Bundesregierung?
Der russische Mutterkonzern Gazprom darf Rechtsmittel gegen die Anordnung einlegen. Wie die russische Seite reagiert, ist bislang noch offen. Ein Rechtsstreit könnte sich allerdings hinziehen. Bislang erfolgen die Gaslieferungen immerhin noch konstant.