Ukrainische Gegenoffensive: Westliche Waffen entscheidend

    Ukrainische Gegenoffensive:Westliche Waffen werden entscheidend sein

    von Andras Racz und Christian Mölling
    14.07.2022 | 10:13
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    Die Ukraine will bald einen Gegenangriff starten. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass alle besetzten Gebiete zurückerobert werden können. Wichtig dabei: Waffen aus dem Westen.

    Das US-Raketensystem HIMARS wird in der Ukraine abgefeuert
    US-Raketensystem HIMARS in der Ukraine (Archivbild).
    Quelle: via Pavlo Narozhnyy/via REUTERS

    Am 10. Juli stellte der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Reznikow Pläne für eine "Millionenarmee" (eine Armee mit einer Truppenstärke von einer Millionen Soldaten) vor, die mit westlichen Waffen ausgerüstet ist und mit der die Ukraine die von Russland besetzten Gebiete in einer großen Gegenoffensive zurückerobern will. Das Interview des Ministers mit der britischen Zeitung "The Times", in der er die Pläne präsentierte, fand großen Widerhall.
    Allerdings wird sich die Umsetzung in der Realität schwieriger gestalten. Kurz gesagt: Ein größerer ukrainischer Gegenangriff ist zwar sehr wahrscheinlich, wird aber nicht in den nächsten Wochen stattfinden - und auch nicht alle besetzten Gebiete zurückerobern können.

    Gegenoffensiven der Ukraine

    Tatsächlich hat die Ukraine seit Beginn des Krieges im Februar 2022 bereits eine Reihe von Gegenangriffen und sogar Gegenoffensiven gestartet. Der erste große Erfolg war die Befreiung Kiews von der russischen Belagerung.
    Ein weiterer erfolgreicher ukrainischer Gegenangriff befreite Mitte März Mykolajiw von der russischen Belagerung und drängte die Angreifer allmählich in Richtung Kherson zurück. Den Ukrainern gelang es auch, Charkiw von der direkten Belagerung und dem größten Teil des Artilleriebeschusses zu befreien, obwohl ein Teil der russischen Rohr- und Raketenartillerie die Stadt weiterhin erreichen kann.

    Fokus auf leicht zu erobernde Gebiete

    Sollte es zu einer größeren ukrainischen Gegenoffensive kommen, so muss diese selektiv sein. Selbst wenn Zehntausende neuer Rekruten und Reservisten ausgebildet werden, wird die Ukraine lange nicht über genügend Waffen und vor allem Munition verfügen, um mehrere Gegenoffensiven gleichzeitig zu starten.
    Stattdessen ist es wahrscheinlicher, dass Kiew seine Kräfte auf die Gebiete konzentriert, die leichter zurückzuerobern sind, vor allem auf den westlichen Teil der Region Kherson und auf die Region Saporischschja. Die wiederholten Aufrufe ukrainischer Offizieller an die Zivilbevölkerung dieser beiden Regionen, vor Beginn der Offensive zu fliehen, scheinen diese Einschätzung zu bestätigen.



    Chancen für erfolgreichen Gegenangriff

    Die Wahl wird wohl auf diese Gebiete fallen, da die Ukraine derzeit an der südwestlichen Front, an der sich die beiden Regionen befinden, die besten Chancen für einen erfolgreichen Gegenangriff hat. Dort haben die ukrainischen Streitkräfte seit Mitte März schrittweise Gebiete von den Russen zurückerobert.
    Einigen ukrainischen Einheiten ist es inzwischen gelungen, einen Brückenkopf auf der Ostseite des Flusses Inhulets zu errichten, andere stehen etwa 25 Kilometer vor Kherson. Sowohl die Stadt als auch die russischen Militäreinrichtungen wie Flughäfen, Kommandozentralen und Munitionslager auf der westlichen Seite des Dnipro-Flusses liegen bereits in Reichweite der neuen, westlichen Artilleriesysteme der Ukraine, insbesondere der Raketenwerfer HIMARS.



    Gegenoffensive ist Wettlauf gegen die Zeit

    Ein ukrainischer Gegenangriff wäre auch ein Wettlauf gegen die Zeit. Sollte es Russland gelingen, sein geplantes Referendum in den besetzten Regionen Kherson und Saporischschja durchzuführen, bevor der ukrainische Gegenangriff beginnt, und diese Gebiete nominell zu annektieren, würde dies bedeuten, dass die Ukraine nach russischem Recht versuchen würde, russisches Territorium zu erobern.
    In diesem Fall wäre es für Moskau sehr viel einfacher, eine Eskalation herbeizuführen, indem es im eigenen Land mobilisiert und/oder Massenvernichtungswaffen einsetzt. Aus demselben Grund ist es höchst unwahrscheinlich, dass die Ukraine die Krim zurückerobern könnte - oder dies überhaupt versuchen wird. Das gilt auch für die Regionen Donezk und Luhansk.

    Westliche Waffen entscheidend

    Außerdem muss die Ukraine, bevor sie tatsächlich in der Lage ist, eine größere Gegenoffensive zu starten, zunächst deutlich mehr westliche Waffen sowie Munition - nicht nur für die westlichen Systeme, sondern auch für die alten, sowjetischen Geschütze, die immer noch den Kern des Kiewer Artillerieinventars bilden - erhalten.
    Darüber hinaus sind ebenso wesentlich mehr Panzer und Schützenpanzerfahrzeuge sowie ausreichend Treibstoff für deren Betrieb erforderlich. Wenn sich die westliche Unterstützung fortsetzt, ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Ukraine damit beginnen kann, größere Teile ihrer besetzten Gebiete im Süden zurückzuerobern.
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