Sexuell übertragbare Krankheiten: Mehr Aufklärung gefordert

    Kostenlose Kondome und Bildung:Geschlechtskrankheiten nehmen zu: Was hilft?

    von Josua Schwarz
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    Die Zahl der Infektionen an sexuell übertragbaren Krankheiten steigt auf der ganzen Welt - auch in Deutschland. Eine Kölner Oberärztin fordert konsequente Aufklärung.

    Werbekampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Thema Kondome
    Eine Werbekampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zum Thema Kondome. Fehlt es an Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten?
    Quelle: picture alliance / Geisler-Fotopress / Christoph Hardt

    Es ist eine "stille Epidemie" - das sagte die WHO Mitte 2022. Seit einigen Jahren nehmen die Infektionen an sexuell übertragbaren Krankheiten international wieder zu. Norbert Brockmeyer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für sexuell übertragbare Krankheiten, ging im Oktober in einem NDR-Interview davon aus, dass dies auch für Deutschland zutrifft. Da manche sexuell übertragbaren Krankheiten nicht wirklich gut dokumentiert werden, lässt sich das aber nicht ganz genau sagen.
    Auch in Frankreich nehmen die Infektionen seit Jahren zu. Die französische Regierung entschloss sich deswegen zu handeln. Seit Beginn dieses Jahres können sich alle Menschen unter 26 Jahren in der Apotheke kostenlos Kondome beschaffen. Dies soll den Schutz vor Krankheiten wie Hepatitis oder Herpes erhöhen.

    Kostenlose Kondome mit Aufklärung verbinden

    Eine Idee, die auch in Deutschland Anklang findet. Die Oberärztin der Uniklinik Köln, Clara Lehmann, findet, dass "so was auch in Deutschland angeboten werden sollte".
    Allerdings ist ihrer Meinung nach nicht das Verteilen von kostenlosen Kondomen der entscheidende Punkt: "Wichtig ist, dass die Aktion mit aktiven Informationen verbunden ist."

    Es wird klargemacht, dass jeder Einzelne gegen die Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten vorgehen kann.

    Clara Lehmann, Oberärztin der Uniklinik Köln

    "Es ist eine Aufklärungskampagne mit Konsequenz. Nach dem Motto: Wir klären dich auf und geben dir ein Werkzeug zum Schutz - zum Beispiel Kondome", erklärt Lehmann.
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    Geschlechtskrankheiten auch für Ärzte teils Tabuthema

    Solche Maßnahmen fehlen Lehmann in Deutschland gänzlich: "Aktuell gibt es keine sinnvolle Aufklärung. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es die Erkrankungen nicht mehr gibt."
    Dabei sieht sie nicht nur, dass die Allgemeinbevölkerung die Augen vor diesem Thema verschließt. Auch Ärztinnen und Ärzte hätten das Problem aus den Augen verloren. "Häufig haben Menschen Probleme, das Thema anzusprechen. Es ist halt ein Tabuthema", meint Lehmann.

    Es muss viel proaktiver und offener darüber gesprochen werden.

    Clara Lehmann, Oberärztin der Uniklinik Köln

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    Mehr Aufklärung in den Schulen gefordert

    Besonders in der Pflicht zu Handeln sieht sie dabei die Politik: "Die Politik ist in der Verantwortung und das auf allen Ebenen. Auf Bundesebene ist es das Gesundheitsministerium und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Aber auch auf der Länder- und Stadtebene muss das Thema angegangen werden."
    Besonders problematisch sieht Lehmann die aktuelle Aufklärung in den Schulen. Dort müsse viel mehr passieren: "Ich habe selbst drei Kinder und die haben Aufklärungsunterricht in der sechsten oder siebten Klasse und danach gar nicht mehr". Jugendliche entwickelten sich aber unterschiedlich schnell.

    Das Thema müsste in der Oberstufe eigentlich auch noch mal aufgegriffen werden.

    Clara Lehmann, Oberärztin der Uniklinik Köln

    Richtige Ansprache für Jugendliche finden

    Grundsätzlich sei es bei der Aufklärung von Jugendlichen über sexuell übertragbare Krankheiten wichtig, die richtige Ansprache zu finden: "Es ist wichtig, dass es keine Schuldzuweisungen gibt und nicht der Finger gehoben wird. Es muss eine moderne, ansprechende und offene Haltung geben."

    Die Aufklärung sollte superpenetrant sein, sodass man gar nicht die Möglichkeit hat, daran vorbeizukommen.

    Clara Lehmann, Oberärztin Uniklinik Köln

    Nur so sei es möglich, die Eindämmung von sexuell übertragbaren Krankheiten in Deutschland voranzutreiben.
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