Interview
Die Baustellen der Klara Geywitz:Wohnungsbau: "Wir müssen uns mehr anstrengen"
14.08.2022 | 21:45
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Zinsen steigen, Lieferketten sind gestört, Handwerker fehlen - Bauministerin Klara Geywitz hält trotzdem am Versprechen der Ampel fest: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr.
ZDFheute: Sie gelten als pragmatisch, faktenorientiert - eigentlich als jemand, der nichts verspricht, was nicht zu halten ist. Nun ist Ihr Amt mit einem der größten Versprechen dieser Legislatur verbunden: 400.000 neue Wohnungen pro Jahr. Warum haben Sie dieses Versprechen auf sich genommen?
Klara Geywitz: Zum einen legt das der Koalitionsvertrag fest. Zum anderen ist das ja nicht aus der Luft gegriffen, sondern fußt auf Analysen des Bedarfs an Wohnungen generell. Es ist auf jeden Fall ein sehr konkretes Versprechen:
400.000 ist eine Zahl, die kann man ganz genau überprüfen.
ZDFheute: Seit Ihrem Amtsantritt haben sich die Bedingungen nochmal verschärft: Zinsanstieg, Materialmangel, Fachkräftemangel. Das Versprechen erscheint inzwischen: aussichtslos. Warum halten Sie dennoch daran fest?
Geywitz: Dadurch, dass ich mich davon verabschieden würde, würde ja die Notwendigkeit nicht weggehen, dass wir mehr Wohnungen brauchen. Es ist schwieriger geworden, deswegen müssen wir uns mehr anstrengen.
Wir müssen in Deutschland die Bedingungen schaffen, damit man seriell bauen kann. Wir brauchen Typengenehmigungen: Wenn ein Haus in Hamburg genehmigt ist, muss nicht nochmal ein Beamter in Bayern drüber nachdenken, ob das ein sicheres und ein gutes Haus ist.
ZDFheute: Das Wirtschaftsministerium hat Ende Juni die energetische Förderung im Neubau an das Bauministerium abgegeben. Manche sagen: ein Pyrrhussieg, weil Robert Habeck ohnehin auf Sanierungen setzt - und nun auch weniger Mittel für Neubau zur Verfügung stehen. Was sagen Sie?
Geywitz: Sieg ist ein komisches Wort. Also da hat ja niemand verloren, und wir sind ja auch nicht beim Schlamm-Catchen, sondern es geht darum, dass wir sagen: Wo ist das Thema denn sinnvoll strukturell angesiedelt? Und da Robert Habeck selten nach den 400.000 Wohnungen gefragt wird, sondern meistens Klara Geywitz, ist es schon sehr sinnvoll, dass wir das dann auch verantworten.
Unser Ziel ist es, jetzt viel genauer zu fördern in dem Bereich, der gebraucht wird, nämlich: preiswerte Wohnungen, gerade in den urbanen Zentren. Die alte Förderung war zu breit aufgesetzt. Das heißt, jeder hat einen Zuschuss gekriegt, egal ob die Wohnung dann 8,50 Euro gekostet hat oder 18,50 Euro und egal, ob das jemand war, der diese Wohnung für seine Altersvorsorge brauchte, oder jemand, der auch noch hundert weitere Wohnungen hat.
Unser Ziel ist es, jetzt viel genauer zu fördern in dem Bereich, der gebraucht wird, nämlich: preiswerte Wohnungen, gerade in den urbanen Zentren. Die alte Förderung war zu breit aufgesetzt. Das heißt, jeder hat einen Zuschuss gekriegt, egal ob die Wohnung dann 8,50 Euro gekostet hat oder 18,50 Euro und egal, ob das jemand war, der diese Wohnung für seine Altersvorsorge brauchte, oder jemand, der auch noch hundert weitere Wohnungen hat.
Und absurderweise hat man den gleichen Zuschuss bekommen, ob das eine kleine oder eine große Wohnung war. Da muss man sich nicht wundern, dass ganz viele kleine, teure Wohnungen gefördert wurden.
ZDFheute: Sie haben kürzlich auch versucht, das Verbraucherbewusstsein zu schärfen beim Thema Wohnfläche, die pro Person immer weiter steigt. Die CSU hat Ihnen daraufhin "Klimasozialismus" vorgeworfen.
Geywitz:
Also ehrlich gesagt, nicht alles, was die CSU nicht sofort versteht, ist Sozialismus.
Das, was ich anregen will, ist ein einfacher Punkt: Wir machen ganz viele Maßnahmen, die Effizienz steigern sollen, bessere Heizungen, bessere Fenster, bessere Dämmung und das spart natürlich CO2. Aber dadurch, dass wir alle pro Kopf immer mehr Fläche verbrauchen, wird diese Einsparung aufgefressen.
Wenn wir die Klimaziele erreichen wollen, müssen wir uns doch beide Fragen stellen: Wie werden wir effizienter? Und wie kriegen wir das mit den Flächen hin? Da gibt es sehr intelligente Antworten, und die haben nichts damit zu tun, dass Klara Geywitz sagt: Sie ziehen jetzt in eine kleine Wohnung.
ZDFheute: Welche denn?
Geywitz: Man kann zum Beispiel Häuser von Anfang an so bauen mit der Möglichkeit einer Trennung, dass man in dem Fall, wo die Kinder ausziehen, in der einen Hälfte wohnt und die andere vermietet. Oder man plant Grundrisse von Häusern flexibel, damit man nicht einen Wohnblock nur mit Drei-Raum-Wohnungen hat, und dann werden aber Fünf-Raum-Wohnungen gebraucht oder Zwei-Raum-Wohnungen.
ZDFheute: Sie haben auch gesagt, dass es "ökonomisch und ökologisch unsinnig ist", wenn jede Generation Einfamilienhäuser baut. Ist der deutsche Traum vom Einfamilienhaus also ausgeträumt?
Geywitz: Nein, aber schauen Sie: Wir haben Tausende von Häusern, die saniert werden müssen. Da müssen wir die Frage stellen:
Wer nimmt denn die Milliarden in die Hand, um aus diesen ganzen Häusern aus den 50er und 60er Jahren energieeffiziente Häuser zu machen?
Also früher war es doch so, da ist man irgendwann in das Haus seiner Eltern eingezogen, hat sich ein bisschen lustig gemacht über die komischen Fliesen, aber hat es umgebaut und für die nächsten Generationen bewahrt. Niemand ist auf die Idee gekommen, man lässt das Elternhaus leer stehen, und baut auf der Wiese daneben das neue Haus.
So, und da wir fast alle nicht mehr in den Orten wohnen und bauen und leben, wo unsere Eltern wohnen, ist dieser Lebenszyklus der Häuser - die Nachnutzung - über Generationen hinweg ins Stocken gekommen. Und deswegen habe ich gesagt: Ist doch Quatsch, dass jede Generation neben den Häusern der Generationen davor neue eigene baut.
ZDFheute: Dann lassen Sie uns nochmal in die Zukunft schauen: Nach vier Jahren Klara Geywitz im neuen eigenständigen Bauministerium, was soll man da über Sie sagen?
Geywitz: Schön wäre, wenn dann man mal jemand die Kurve der Sozialwohnungen in Deutschland anguckt, die jahrelang nach unten gegangen ist, und sagt: Guck mal da, als die Geywitz Ministerin wurde, da ist es wieder nach oben gegangen.
Das Interview führte Andrea Maurer, ZDF-Hauptstadtstudio