In der "Partygate"-Affäre rückt die Stunde der Aufklärung näher. Heute könnte der Untersuchungsbericht veröffentlicht werden, von ihm hängt Boris Johnsons politisches Überleben ab.
In der Affäre um Lockdown-Partys in Boris Johnsons britischem Regierungssitz rückt die Stunde der Aufklärung näher. Heute könnte der Untersuchungsbericht, für den die Spitzenbeamtin Sue Gray über Wochen Beweise gesammelt und Zeugen befragt hat, der Öffentlichkeit vorgelegt werden, wie britische Medien berichteten.
Geburtstagsrunde und nächtliche Besäufnisse
Dass sich der mit Spannung erwartete Bericht erneut verzögert, ist jedoch nicht ausgeschlossen. Parallel dazu gehen die Ermittlungen der Londoner Polizei zu einigen Feiern in der Downing Street weiter.
Mehrere Weihnachtsfeiern, eine Geburtstagsrunde, eine Gartenparty und nächtliche Besäufnisse vor dem Begräbnis von Prinz Philip: Die Liste der mutmaßlich illegalen Zusammenkünfte in der Downing Street ist lang geworden. Der Bericht von Sue Gray soll klären, wer wann wo, wie oft und wie lange mit wem gefeiert hat.
Die Polizei ermittelt nun in der Affäre um möglicherweise illegale Partys am Amtssitz des britischen Premiers Johnson, der dabei mehrfach gegen Corona-Auflagen verstoßen haben soll
Von den Ergebnissen hängt nicht weniger als Boris Johnsons politisches Überleben ab. Rund ein halbes Dutzend Tory-Abgeordnete haben bereits öffentlich den Rücktritt des Premiers gefordert. Von vielen anderen heißt es, sie wollten den Bericht abwarten. Je nach Ergebnis droht dem Premier ein Misstrauensvotum.
Streit über Ausmaß der Veröffentlichung
Bereits vor der Vorstellung zeichnet sich ein Streit um das Ausmaß der Veröffentlichung ab. Die britische Außenministerin Liz Truss deutete im Interview mit dem Sender Sky News am Mittwochmorgen an, je nach Inhalt könne es "Sicherheitsbedenken" geben. Das mache eine komplette Veröffentlichung möglicherweise problematisch. Man werde aber definitiv die Ergebnisse veröffentlichen.
Der "Financial Times" zufolge soll der Bericht keine Details wie Fotos oder WhatsApp-Nachrichten enthalten, sondern die Fakten zusammenfassen. Die Opposition könnte aber eine umfassendere Version fordern, spekulierte das Portal "Politico" - zumal der Sender Sky News berichtete, es lägen Party-Fotos von Boris Johnson mit Weinflaschen vor.
Johnson erhält Bericht - und muss ihn vorlegen
Johnson soll den Bericht der als kompromisslos und unbestechlich geltenden Beamtin Gray, die im Cabinet Office der britischen Regierung angesiedelt ist, zuerst bekommen und dann wenige Stunden später der Öffentlichkeit vorlegen müssen. Es wird damit gerechnet, dass Johnson sich erneut wortreich entschuldigt und eine weitreichende Reform der Trinkkultur in der Downing Street ankündigt - fest entschlossen, sein politisches Überleben zu retten.
Noch spannender als die große Aufklärung der Partygate-Affäre dürften die Reaktionen in Johnsons Fraktion werden. Sprechen ihm mindestens 15 Prozent der konservativen Abgeordneten das Misstrauen aus (54 Parlamentarier), muss sich der Premier einer Abstimmung stellen. Wie viele geheime Briefe zu dem Vorgang bislang bei Graham Brady, dem Vorsitzenden des zuständigen Komitees eingegangen sind, weiß außer ihm niemand.
- Partygate: Premier auf Abruf
Großbritannien geht es nach Corona und Brexit schlecht - doch der Premierminister hat gefeiert. Boris Johnson hat sich viel herausgenommen in der Krise. Wahrscheinlich zu viel.