Ministerpräsident Winfried Kretschmann von den Grünen regiert seit zehn Jahren und versprach, die erneuerbaren Energien kräftig ausbauen. Die Bilanz überrascht.
Einen "Politikwechsel" versprach Winfried Kretschmann, als er 2011 zum ersten grünen Ministerpräsidenten in Deutschland gewählt wurde. Oberstes Ziel: Klimaschutz. "Wir stellen uns dieser Verantwortung", versicherte Kretschmann bei seiner ersten Regierungserklärung im Landtag:
Das Protokoll notiert: "Beifall bei den Grünen".
Kein Rückenwind vom Landesvater bei der Energiewende?
Heute herrscht vor Ort Ernüchterung. "Ich schätze den Herrn Kretschmann grundsätzlich sehr", sagt Gerd Schönbett. Er ist parteiloser Bürgermeister des Örtchens Kleines Wiesental im Schwarzwald. Seit sieben Jahren schon versucht seine Gemeinde, Windräder aufzustellen.
Schönbett moniert, ihm fehle der Rückenwind vom Landesvater: "Wenn der sich mit demselben Engagement für die Windenergie einsetzen würde, wie für den Dieselmotor, dann wären wir in Baden-Württemberg weiter."
Die Energiewende ist ein Jahrhundertprojekt und kommt doch nur schleppend voran.
Grüner Strom im Ländle nicht vor Ort produziert
Weiter wollte Kretschmann ursprünglich sein. 2011 setzte er seiner Landesregierung das Ziel: mindestens zehn Prozent Windkraftanteil bis 2020. Erreicht hat das Bundesland 2019 gerade mal 4,4 Prozent. Kein gutes Zeugnis für ein Bundesland, dass sich gern als "Musterländle" sieht.
Sladek ist Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau, ein Städtchen das vorgemacht hat, wie es geht - mehr Grünstrom produzieren, als es selbst verbraucht. Ganz anders als das übrige Ländle: "Baden-Württemberg lässt sich den ganzen regenerativen Strom in Norddeutschland produzieren. Das geht so nicht. Völlig klar, dass wir den Strom, den wir hier brauchen, auch hier erzeugen sollten."
Kretschmann will keine Energie-Bilanz ziehen
Ministerpräsident Kretschmann will auf Nachfrage keine Bilanz seiner Energiepolitik ziehen, er verweist an das Umweltministerium. Das sieht die eigenen Ziele erreicht. "Natürlich wünschen wir uns insgesamt ein schnelleres Ausbautempo", heißt es.
"Da muss mehr geschehen von der Bundesregierung". Die setze Rahmenbedingungen, unter denen der Ausbau insbesondere der Windkraft leide.
Grünstromanteil Baden-Württembergs hinter Nachbarländern
Das aber hindert die Nachbarländer Baden-Württembergs nicht daran, es besser zu machen. Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern haben alle einen Grünstromanteil von mehr als 50 Prozent. Das grün geführte Ländle kommt nur auf 31,5 Prozent, belegt damit einen der letzten Plätze bundesweit.
Das ist alles viel zu wenig, sagt Firmenboss Achim Schneider. Er leitet einen großen Zulieferer der Autoindustrie, die Fondium Gießerei in Singen, die so viel Strom benötigt wie eine Kleinstadt. "Die Autoindustrie verlangt, dass wir so schnell wie möglich klimaneutral werden". Doch grüner Strom ist knapp.
"Da wäre viel, viel mehr möglich". Grüner Strom wird zur Standortfrage. Bei der Fondium Gießerei geht es um 800 Arbeitsplätze.
Umweltministerium: Land erlebt "Solarboom"
Die grüne Landesregierung sieht die Lage positiv. Das Land erlebe gerade einen Solarboom, lässt das Umweltministerium mitteilen. Das beeindruckt Christoph Kost nicht sonderlich. Er ist ein Mann der Zahlen und hat berechnet, wie groß der Nachholbedarf im Ländle geworden ist: Der Solarstrom-Ausbau müsse verdreifacht werden, der Windkraft-Ausbau sogar versechsfacht. Wenn das nicht passiert, sagt Christoph Kost, werde Baden-Württemberg die Pariser Klimaschutzziele verfehlen.
Die Umstellung auf erneuerbare Energien macht das Stromnetz anfälliger für Hacker.
Kretschmann stellt sich am 14. März zur Wiederwahl. "Klimaneutral" ist sein Ziel, so steht es auf den Wahlplakaten. Die Umfragewerte sind gut für den Grünen. Wird er wiedergewählt, gäbe es viel zu tun für Kretschmann. Weil sein Vorgänger, also er selbst, so wenig erreicht hat. [Welche Partei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg Ihre Interessen vertritt, erfahren Sie beim Wahl-O-Mat.]