Für Wirtschaftsminister Habeck geht es bei möglichen Energie-Engpässen wegen des Ukraine-Kriegs um die "industrielle Substanz" Deutschlands. Bei "Lanz" lehnte er ein Embargo ab.
Zum Ukraine-Krieg, dem Gasstreit mit Russland, zur Energie-Versorgungssicherheit u. den zu erwartenden gesamtwirtschaftlichen Folgen im Falle eines Lieferstopps von russischem Gas
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) steht für ein klares Nein beim Energie-Embargo gegen Russland. Dieses Nein verteidigte der Minister am Donnerstagabend bei "Markus Lanz" so vehement und greifbar wie vielleicht noch nie.
Dabei ging er ganz konkret auf Analysen von Ökonomen ein, denen zufolge Deutschland 40 bis 50 Prozent Energie-Einbußen, die ein solches Embargo mit sich brächte, bewältigen könnte. Diese Analysen seien zwar durchaus wertvoll, so Habeck. Doch die schiere Physik stehe den makroökonomischen Modellen im Weg.
Habeck: Fehlende Infrastruktur für Energietransporte
"Wir suchen, ob es noch Züge gibt, die Öl transportieren können, wenn im Osten das Öl fehlt. Und, Wunder was, so viele gibt's gar nicht mehr", sagte Habeck.
Gleiches gelte für Schiffe, die noch nicht da seien, um LNG-Flüssiggas zu transportieren. Dieses Flüssiggas wiederum sei weder gefördert noch bestellt. Es gebe noch nicht mal Terminals, mit denen es angenommen werden könnte.
Wirtschaftsminister Habeck hat am Morgen die Frühwarnstufe im Gas-Notfallplan ausgerufen. Die Regierung möchte sich damit gegen eine mögliche Gas-Engpässe wappnen.
Wirtschaftsminister: Gefahr der Abwanderung
Das alles verhindere ein sicheres Szenario, eine sichere Energieversorgung für Deutschland ohne russische Energieträger. Habeck stellte klar:
Der Vizekanzler warnte im Fall einer stark eingeschränkten Energieversorgung außerdem vor einer Abwanderung der besonders betroffenen Industrie. Nach Asien etwa, wo Löhne billiger seien und LNG-Gas im Überfluss vorhanden ist.
Diese Entwicklung sei dann, sobald eingetreten, auch nicht mehr umkehrbar. Hinzu würden bei Energieknappheit enorme Ausfälle bei der Grundstoffindustrie kommen. Wenn man etwa die chemischen Produkte, die sehr stark auf Gas aus Russland angewiesen seien, nicht mehr herstellen könne, gebe es ganz am Anfang der Kette Verlust.
Habeck: Politik bedeutet, sich der Wirklichkeit zu stellen
Überall da, wo Kunststoffe verbaut oder Düngemittel eingesetzt würden, werde die Produktion in der Folge leiden. Dadurch entstehende Arbeitslosigkeit könne man zwar auffangen, mit Kurzarbeit und Hartz IV etwa. "Aber die Arbeit ist dann trotzdem weg", so Habeck. Außerdem:
Für Menschen im Krieg möge das nach Ausflüchten klingen und das sei auch verständlich. Doch hier gebe es keine "blütenreinweiße" Entscheidung - nur diese "harte, kluge" und "abgewogene", wie Habeck es formulierte.
Oder auch: "Politik bedeutet, sich der Wirklichkeit zu stellen, sich die Hände schmutzig zu machen. Und nicht rumzujammern, dass die Hände schmutzig sind, wenn man mal zugepackt hat."
Bundeswirtschaftsminister: Zahlen Öl weiter in Euro
Was aber passiert, wenn Russlands Präsident Wladimir Putin die Öl-, Kohle- und Gaslieferungen nach Deutschland und Europa von sich aus abstellt? Diese Frage hatte nur wenige Stunden zuvor nochmal deutlich an Relevanz gewonnen. Denn Putin hatte ein Dekret unterzeichnet, das vorsieht, dass schon ab dem 1. April russische Energieträger nur noch mit Rubel bezahlt werden können.
"Das ist nicht ganz klar, was das heißt", sagte Habeck dazu. Der Bundeswirtschaftsminister stellte aber klar: "Wir und die Unternehmen werden weiter entlang der eingeübten Ströme, wie es die Verträge vorsehen, in Euros und in Dollar bezahlen. Und dann hängt das ein bisschen von der Reaktion des Kremls ab."
Habeck: Bereiten uns auf Lieferstopp vor
Man bereite sich auf einen Lieferstopp vor, so gut es gehe. "Wir kämpfen ja darum, wir arbeiten jeden Tag 'wie Tier' daran, das hinzubekommen", so Habeck. Für ein gravierendes Szenario, das bei Energieknappheit drohe, könne aber nicht die Bundesregierung die Verantwortung tragen:
Dazu liefen bereits Gespräche mit Energieversorgern und industriellen Abnehmern. "Doch Sie werden uns das nachsehen, dass je weniger darüber geredet und geschrieben wird, desto besser ist es."
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