Während SPD und Grüne starke Ergebnisse erzielen, erlebt die CDU ein Wahl-Debakel. FDP und AfD müssen zittern. Wichtig für die Wähler: die Politik in Hamburg. Eine Analyse.
Bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg bleibt die SPD trotz Verlusten klar stärkste Kraft. Die Grünen holen ihr bestes Ergebnis außerhalb Baden-Württembergs, die CDU fällt auf ihr schwächstes Landtagswahl-Ergebnis seit fast 70 Jahren. Die Linke ist relativ stabil. Ob es AfD und FDP in die Bürgerschaft schaffen, ist zum jetzigen Zeitpunkt offen.
Weshalb die Politik in Hamburg entscheidend war
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Entschieden wurde die Bürgerschaftswahl primär vor Ort: Zwar meinen 70 beziehungsweise 74 Prozent der Befragten, dass Thüringen und die Folgen der CDU beziehungsweise FDP in Hamburg geschadet haben. Bei der Wahl entscheidend war aber für 71 Prozent die Politik im Stadtstaat (im Bund: 23 Prozent).
Hier punkten SPD und Grüne mit überzeugender Senatsarbeit, Sachkompetenz und Top-Werten beim Parteiansehen. Speziell die SPD profitiert von einem überlegenen Spitzenkandidaten, mit dem die Bürgerschaftswahl einmal mehr auch zu einer Bürgermeisterwahl avanciert.
Warum die Bürgerschafts- auch Bürgermeisterwahl ist
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
So übertrifft Peter Tschentscher (SPD) nach nur knapp zwei Jahren im Amt bei Leistung und Ansehen die meisten anderen Länder-Regierungschefs: 79 Prozent der Befragten bescheinigen dem Bürgermeister gute Arbeit; beim Image (+5/-5-Skala: 2,7) schafft er das selten hohe Niveau von Vorgänger Olaf Scholz (2015: 2,7).
Seine Herausforderin von den Grünen, Katharina Fegebank (1,7; 2015: 0,7), wird zwar ebenfalls klar positiv bewertet. Als Erste/n Bürgermeister/in wollen aber nur 27 Prozent Fegebank, 57 Prozent sind hier für Tschentscher.
Welches Image die Parteien haben
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Flankiert wird das zugkräftige Spitzenpersonal von SPD und Grünen von bemerkenswert hohem Ansehen ihrer Parteien: Die Hamburger Grünen erreichen auf der +5/-5-Skala sehr gute 1,8 (2015: 1,1), die SPD schafft überragende 2,5 (2015: 2,7).
In keinem Bundesland hat eine Partei mehr Reputation, wobei die Befragten klar differenzieren: Die Bundes-SPD wird mit 1,0 (2015: 2,0) von den Hamburgern weit weniger positiv bewertet.
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Bei der CDU kommt zu gesunkenem Ansehen der Bundespartei (0,6; 2015: 1,7) ein sehr niedriges Ansehen in der Hansestadt (0,0; 2015: 0,5) und ein nicht konkurrenzfähiger Kandidat Marcus Weinberg (+5/-5-Skala: 0,4).
Für gerade elf Prozent der Hamburger steht die CDU für moderne Großstadtpolitik. 25 Prozent nennen hier die Grünen und 40 Prozent die SPD, die auch generell für 80 Prozent "am besten zu Hamburg passt".
Wo SPD, Grüne und CDU inhaltlich (nicht) punkten
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Hinzu kommen bei der CDU heftige inhaltliche Defizite: Beim Hamburger Top-Thema "Verkehr" setzen nur noch 13 Prozent auf CDU-Politik, aber 36 beziehungsweise 24 Prozent auf die Grünen beziehungsweise die SPD.
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Bei "Wohnungsmarkt" und "Bildung" wird die CDU von einer SPD deklassiert, die mit ungewöhnlich viel ökonomischen Qualitäten auch das hanseatisch-wirtschaftsliberale Milieu erreicht: An einem - nach Meinung der Hamburger - ökonomisch hervorragend aufgestellten Standort liegt die SPD selbst wirtschaftspolitisch weit vor der CDU (43 beziehungsweise 18 Prozent).
Wie jüngere und ältere Hamburger wählen
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Getragen wird der SPD-Wahlsieg von der Generation 60plus: Unter den älteren Wählern kann die SPD sogar leicht zulegen und holt überragende 55 Prozent (plus zwei Prozentpunkte). Bei allen unter 60-Jährigen schafft die SPD noch 32 Prozent (minus elf) und wird so von den Grünen praktisch eingeholt.
Diese sind mit 31 Prozent (plus 15) bei den unter 60-Jährigen rund dreimal so stark wie die CDU (zehn Prozent, minus vier), bei allen unter 45-Jährigen werden sie stärkste Kraft. Bei den unter 30-Jährigen kommt die CDU auf lediglich sieben Prozent, bei den ab 60-Jährigen schafft sie noch 15 Prozent.
Wer Linke, AfD und FDP wählt
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Die AfD erzielt ihre relativ besten Ergebnisse bei den 45- bis 59-jährigen beziehungsweise bei den ab 60-jährigen Männern (sechs beziehungsweise sieben Prozent), die FDP liegt bei den Selbstständigen über dem Schnitt (neun Prozent). Für die Linke stimmen mit 15 Prozent relativ viele unter 30-Jährige, bei den ab 60-Jährigen kommt die Linke nur auf sieben Prozent.
Was die Bürger von Linke, AfD und FDP halten
Der Linken, bei "Wohnungsmarkt" und "soziale Probleme lösen" mit mehr Zuspruch als die CDU, gelingt wie zuletzt überall im Westen eine Imagekorrektur (minus 0,3; 2015: minus 1,2). Die Hamburger FDP wird als Partei kritisch gesehen (minus 0,7; 2015: minus 0,8), und das schon zuletzt sehr schlechte Ansehen der AfD ist wie in anderen Bundesländern nochmals gesunken: Auf der +5/-5-Skala bei miserablen minus 4,1 (2015: minus 2,9), sehen 88 Prozent aller Hamburger rechtsextremes Gedankengut in der AfD weit verbreitet.
Wer Hamburg zukünftig regieren soll
Quelle: ZDF / Forschungsgruppe Wahlen
Am Ende war die 22. Bürgerschaftswahl bei viel Lokalkolorit ein überdeutliches Votum für Kontinuität im Senat mit mehr grünem Anstrich. 61 Prozent fänden eine rot-grüne Neuauflage gut (schlecht beziehungsweise egal: 18 Prozent).
Neben hoher Regierungszufriedenheit und individuellen Stärken liegt das auch an der Konkurrenzsituation, wo einer im urbanen Umfeld extrem schwachen CDU inzwischen auch jeder bundespolitische Rückenwind fehlt. Und bei der AfD wird deutlich, dass deren Erfolg - bei einer eindeutigen Haltung der allermeisten Bürger zu dieser Partei - zumindest in einer prosperierenden und weltoffenen Großstadt klare Grenzen hat.
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Hamburg-Wahl 2020Alles rund um die Wahl in Hamburg am 23. Februar.