Hebammen-Streit mit Lauterbach: "Geringschätzung der Frauen"

    Finanzierung der Geburtshilfe:Hebammen-Streit: "Geringschätzung der Frauen"

    von Carolin Wolf
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    Hebammen sollen im Pflegebudget bleiben, sagt Karl Lauterbach nach scharfer Kritik an seiner Krankenhausreform. Für den Hebammenverband gibt es aber wenig Grund zur Freude.

    Eine Hebamme tastet den Bauch einer Schwangeren ab
    Wie solle Hebammen in Kliniken künftig finanziert werden? Darüber ist ein Streit entbrannt.
    Quelle: dpa

    Mit seinen Plänen, die Krankenhäuser in Deutschland zu reformieren, erntete Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zuletzt heftige Kritik. Grund dafür ist das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das bereits am 20. Oktober im Bundestag beschlossen wurde.
    Dieses Gesetz sieht unter anderem vor, dass ab 2025 nur noch qualifizierte Pflegekräfte im Pflegebudget berücksichtigt werden, die "in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen eingesetzt sind." Die Befürchtung: Weiteres Pflegepersonal könnte von den Krankenhäusern nicht mehr finanziert werden - darunter auch Hebammen und Entbindungspfleger.

    Was sind die Konsequenzen für die Geburtshilfe?

    Solange hierbei nicht nachjustiert werde, seien die Konsequenzen für die Geburtshilfe "sehr, sehr gravierend", erklärt die Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, Ulrike Geppert-Orthofer, ZDFheute. Es gehe nicht nur um die Finanzierung, sondern auch um den zwangsläufigen Nebeneffekt, dass Hebammen nicht mehr hätten ausgebildet werden können.

    Man muss sich das mal vor Augen führen: Wir sind die einzige Berufsgruppe, die dafür ausgebildet ist, diesen Prozess im Leben einer Frau (…) zu begleiten - aber den Krankenhäusern sollte die Möglichkeit genommen werden, uns zu finanzieren.

    Ulrike Geppert-Orthofer, Hebammenverband

    Nach großem Druck etwa durch eine Online-Petition mit mehr als 1,5 Millionen Unterschriften äußerte sich Lauterbach in der "Rheinischen Post" am Mittwoch. Der Redaktion sagte er, dass Hebammen weiterhin im Pflegebudget bleiben sollen und, dass "Geburtshilfe und Kinderheilkunde […] nicht dem Spardiktat des alten Krankenhaussystems unterworfen sein" dürften.

    Gesundheitsministerium sieht keinen Grund zur Sorge

    Auf Anfrage erklärt das Bundesgesundheitsministerium (BMG), dass die Sorgen der Hebammen "unbegründet" seien. "Bis 2025 können Hebammenleistungen ohnehin im Pflegebudget abgebildet werden", heißt es. Danach greife eine Krankenhausreform, an der das Ministerium "mit Hochdruck" arbeite. Wie eine Anschlussregelung aussehe, solle zeitnah in einem Gesetzgebungsverfahren geklärt werden.

    Ihre medizinisch notwendige Leistung soll auskömmlich vergütet werden. Zu ihren Lasten soll ein Krankenhaus nicht sparen können.

    Bundesgesundheitsministerium

    Hebammenverband hat wenig Hoffnung auf Besserung

    Geppert-Orthofer äußert jedoch Bedenken. Was sich positiv anhöre, relativiere sich durch die aktuelle Verlängerung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung, erklärt sie. Die Verordnung legt fest, wie viel Personal für eine bestimmte Patientenanzahl mindestens im Dienst sein muss. Hebammen werden demnach auf den Stationen tagsüber maximal zu zehn und nachts zu fünf Prozent auf die Untergrenzen des Pflegepersonals angerechnet - sonst drohen Strafzahlungen.
    Der Hebammenverband erklärt dies anhand eines stark vereinfachten Beispiels: Hätte eine große Wochenbettstation eine Personaluntergrenze von zehn Vollzeitstellen und dafür fünf Pflegefachkräfte und fünf Hebammen eingestellt, müsse sie Strafe zahlen - oder vier der Hebammen durch Pflegefachkräfte ersetzen. Die vier Hebammen müssten also zusätzlich eingesetzt werden. Das könne sich aber keine Klinik leisten, weshalb viele Hebammenstellen gekündigt oder nicht neu besetzt würden, so der Verband.

    Die Frauen haben einen gesetzlich geregelten Anspruch auf Hebammenhilfe - vor, während und nach der Geburt. Und den haben sie auch im Krankenhaus zu 100 Prozent und nicht nur zu fünf oder zehn Prozent.

    Ulrike Geppert-Orthofer, Hebammenverband

    Hebammenverband: "Geringschätzung der Frauen"

    Außerdem sei der Verband vom Ministerium nicht angehört oder bei Beratungen hinzugezogen worden, sagt Geppert-Orthofer. So warte der Verband ihr zufolge noch heute auf eine Antwort des Ministeriums auf ihren offenen Brief und auf ihre Stellungnahme zum GKV-Gesetz. Auch ein Brandbrief blieb demnach unbeantwortet.

    Wir würden uns wünschen, dass man mit uns spricht, bevor man über uns entscheidet.

    Ulrike Geppert-Orthofer, Hebammenverband

    Das Thema habe eine große gesellschaftliche Relevanz, es gehe hierbei nicht um reine "Befindlichkeiten der Hebammen", sagt Geppert-Orthofer. Sie sieht hierin eine "ganz klare Geringschätzung der Frauen".

    Wenn man wolle, dass es den Frauen gut geht, dann würde man uns hören.

    Ulrike Geppert-Orthofer, Hebammenverband

    1:1-Betreuung müsse hergestellt werden

    Schon mit dem Koalitionsvertrag der Ampel hatte sich der Hebammenverband eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Hebammen erhofft. Darin steht unter anderem, dass eine 1:1-Betreuung von Hebammen und Müttern während der Geburt sichergestellt werden solle. Davon seien sie nun weit entfernt, sagt Geppert-Orthofer.

    Bei aller Erleichterung gibt es also bislang nur wenig Grund zur Freude.

    Ulrike Geppert-Orthofer, Hebammenverband

    Ein Gutachten des IGES Instituts von 2019 zeigt, dass sich eine Hebamme durchschnittlich um drei Frauen während der Geburt gleichzeitig kümmert. An Tagen mit überdurchschnittlich vielen Geburten versorgen 85 Prozent der Hebammen sogar mehr als drei Frauen parallel im Kreißsaal. Ulrike Geppert-Orthofer, Präsidentin des Hebammenverbands, nennt das eine Zumutung.

    Der Deutsche Hebammenverband fordert daher eine Anpassung der getroffenen Entscheidungen und will, dass Hebammen im Pflegebudget berücksichtigt werden. Karl Lauterbach und sein Gesundheitsministerium würden das mündlich zwar zusichern: Bislang wurde das aber nicht in einen Gesetzestext gegossen.
    Lauterbachs Worten müssten jetzt Taten folgen, so Geppert-Orthofer. Denn es sei "noch nicht durch".

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