Noch ist genug Gas da. Aber auch noch im Winter? Heizung runter per Gesetz ist eine Idee. Der Mieterbund ist dagegen, die Hausbesitzer sind dafür, die Koalition ist uneins.
Noch besteht kein Grund zur Sorge. Die Gasspeicher sind nach Angaben der Bundesnetzagentur so voll wie selten zu Beginn des Sommers: Zu 56,29 Prozent sind die Speicher gefüllt, Stand Freitagmittag. Das ist mehr als 2021, 2018, 2017 und 2015. Ob das so bleibt, ist allerdings die Frage, wenn das Ersetzen russischer Gasimporte nur nach und nach gelingt und Russland als Folge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine die Gasimporte drosselt.
Füllen sich die Speicher nicht bis zum Winter, will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Energiesparen "zur Not" gesetzlich verordnen. Die Chancen für ein Senken der Raumtemperatur sind allerdings eher gering.
Mieterbund setzt auf Freiwilligkeit
Derzeit müssen zwischen 1. Oktober und 30. April in Wohnungen und Häusern 20 bis 22 Grad herrschen. Das ist keine gesetzliche Vorgabe, sondern Ergebnis von Gerichtsurteilen und Vermieteraufgabe. Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur hatte vorgeschlagen, die Temperatur per staatlicher Verordnung oder Gesetz um zwei Grad zu senken. Zwischen sechs und zehn Prozent Einsparung liegen die Schätzungen, was pro Grad an Gas in privaten Haushalten gespart werden kann.
Der Deutsche Mieterbund finden das falsch. Wenn, sagt Präsident Lukas Siebenkotten, dann sollte man auf Freiwilligkeit setzen.
Menschen mit Krankheiten oder Ältere, die eine höhere Raumtemperatur brauchen, würden bei dieser Diskussion nicht berücksichtigt, sagte Siebenkotten dem ZDF. Diejenigen, die in schlecht sanierten Häuser wohnten, würden zudem doppelt bestraft: Weil sie sowieso schon höhere Energiekosten bezahlen müssten und dann auch noch einmal benachteiligt würden.
Der Mieterbund ist nicht gegen Sparmaßnahmen, aber, so Siebenkotten: "Ich bin guter Dinge, dass wir das ohne staatliche Verordnung hinbekommen."
Bis zu 1700 Grad Hitze – der Energieverbrauch beim Glasampullenhersteller Schott ist enorm. Bislang treibt Gas die Produktion an – jetzt will das Unternehmen auch auf alternative Energien setzen.
Vermieter: Jetzt noch nicht, aber "Undenkbares denken"
Anders sieht es da auf der Vermieterseite aus. Der Eigentümerverband Haus und Grund kann sich ein Absenken der Temperatur durchaus vorstellen: Der Vorschlag sei sinnvoll, so Verbandschef Klaus Wernecke in einer Mitteilung. Nur für den Extremfall, einer "Gasmangellage", kann sich das hingegen Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, vorstellen. "In der jetzigen Situation", so Gedaschko im ZDF, sei das Setzen auf Freiwilligkeit "völlig ausreichend".
Das heißt: "Jeder spart, wo es irgendwo geht, damit die Gasversorgung gesichert ist", sagt Gedaschko. Erst wenn diese gefährdet sei, könne er sich das Absenken der Temperatur als "solidarischen Beitrag" vorstellen: auf 18 Grad in Wohn- und 16 Grad in Nebenräumen. Das würde verhindern, dass manche Räume oder Wohnungen völlig kalt bleiben. Außerdem seien zwei Grad weniger "die Untergrenze, die verhindert, dass es schimmelt oder sonst etwas passiert".
Auch wenn jetzt noch nicht die Zeit ist, laut Gedaschko müsse man das "Undenkbare denken". Und das heißt: Die staatliche angeordnete Absenkung müsse jetzt vorbereitet werden.
SPD und FDP gegen Heizdeckel
Allerdings dürfte es innerhalb der Bundesregierung nicht so einfach sein, einen Konsens zu finden. Minister Habeck hatte zwar der ARD gesagt: "Wenn Speichermengen nicht zunehmen, dann werden wir weitere Maßnahmen zur Not gesetzlich vornehmen müssen." Das Zudrehen der Heizung werde dabei aber noch geprüft. Ein solche Maßnahme habe "Tücken", sagte sein Ministeriumssprecher am Freitag. "Es gibt eine Menge zu bedenken." Den Denkmalschutz zum Beispiel.
- Vom fossilen zum Ökostrom
Deutschland will unabhängig werden von fossiler Energie. Wie der Stand der Stromversorgung und Gasspeicher ist und wie der Ausbau des Ökostroms vorangeht, ein Überblick in Grafiken:
Habecks Kabinettskollegin, die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD), hält schon mal wenig davon. "Gesetzlich verordnetes Frieren halte ich für unsinnig", sagte sie der Deutschen Presseagentur. Alles unter 20 Grad könne gesundheitsgefährdend sein und sei auch gebäudetechnisch "zu kurz gedacht". Auch die FDP ist verhalten. Generalsekretär Christian Dürr:
Und: Wichtiger sei es jetzt, so Dürr im ZDF, die Gaslieferung für die Unternehmen zu gewährleisten.
Greenpeace: Habeck muss bei Industrie nachsteuern
Knapp 30 Prozent des deutschen Gasverbrauches landet laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bei der Industrie, ähnlich viel wird in den privaten Haushalten und in der Energiebranche zur Strom- und Wärmerzeugung benötigt.
"Natürlich ist es sinnvoll, wenn weniger geheizt wird", so Reenie Vietheer, Energieexpertin bei Greenpeace. Aber nicht nur Privatpersonen, sondern auch die Wirtschaft müsse sparen. In allen Branchen: "Man kann die Verantwortung nicht allein an die Verbraucherinnen und Verbraucher abgeben. Ich habe das Gefühl, das wird gerade gemacht", saget Vertheer.
Kurzfristig müsse das Gas, das in der Energiebranche benötigt wird, durch Kohle ersetzt werden. Mittelfristig brauche es mehr Investition in die Gebäudesanierung und Austausch von Gasheizungen. Langfristig müssten sich vor allem die Branchen umstellen, die viel Energie brauchen. Wie die Glas- und Papierindustrie etwa, die kontinuierlich hohe Temperaturen benötigen.
Dafür brauche es einen "ordnungspolitischen Rahmen".