Der russische Krieg gegen die Ukraine sprenge alle Dimensionen, er sei nicht abzusehen gewesen, sagt Diplomat Christoph Heusgen im Interview mit dem ZDFheute journal.
Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz und ehemalige deutsche UNO-Botschafter, Christoph Heusgen, spricht im Interview mit dem ZDF heute journal über die deutsche Russland-Politik der vergangenen Jahrzehnte und ist überzeugt: Mit Putin kann man nicht mehr reden.
[Sehen Sie das komplette Interview oben im Video und lesen Sie es hier in Auszügen:]
Das sagt Christoph Heusgen ...
... zu Fehlern deutscher Außenpolitik der vergangenen Jahre:
"Wir sehen heute, dass Putin sehr viel weiter gegangen ist, als wir gedacht haben. Noch am Ende der Münchner Sicherheitskonferenz, vier Tage vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, war ich angesichts des großen Einvernehmens, das in München geherrscht hat, der Meinung: Putin wird nicht einmarschieren. Er ist einmarschiert, und er hat damit das Völkerrecht massiv gebrochen.
Wir haben immer versucht, mit Russland in Kontakt zu bleiben, wir haben immer wieder versucht, Russland einzuhegen. Wir haben nach der Invasion 2014, als sie die Krim besetzt haben und den Donbass, in harten Verhandlungen [erreicht], dass er aufgehört hat mit dem Vormarsch. Wir haben versucht, in harten Verhandlungen, ihn einzudämmen. Was wäre die Alternative gewesen?
Ich glaube, es hat sehr viel auch damit zu tun, dass Putin in den letzten zwei Jahren isoliert war. Er hat nicht mehr mit der Außenwelt gesprochen, er hat sich seine eigenen Fantasien über die Ukraine zu eigen gemacht und daran geglaubt, und das war etwas, das sich in dieser Dramatik nicht abgezeichnet hat."
... zum Pipeline-Projekt Nord Stream 2:
"Wir sind in einer Koalition gewesen 2015, in einer Koalition mit den Sozialdemokraten, wo es darum ging, sollen wir Nord Stream 2 auch nach Nord Stream 1 machen oder nicht. Da spielen dann außenpolitische Dinge rein, da spielen wirtschaftspolitische Dinge rein. Im Ergebnis wird das dann miteinander abgewogen. Im Ergebnis wurde entschieden: Wir sehen das als ein kommerzielles Projekt an, und wenn es mit EU-Recht vereinbar ist, dann wird es durchgezogen."
... zu den Lehren für die Zukunft:
"Wir lernen, dass wir uns nicht zu sehr abhängig machen dürfen von Ländern, die unberechenbar sind, von Länder, die dem Rechtsstaat und der regelbasierten Ordnung nicht folgen. Das gilt für Russland, das gilt für China. Wir müssen sehen, dass wir uns nicht zu sehr abhängig machen von Ländern, die keine Demokratien sind, wo es keinen Rechtsstaat gibt."
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... zu möglichen Gesprächen mit Putin:
"Ich halte es für schwer vorstellbar, dass man mit Putin nochmal an einem Tisch sitzt. Das ist jemand, der alles internationale Recht gebrochen hat, was es zu brechen gibt. Auf ihn kann man sich nicht verlassen. Das Papier, auf dem seine Unterschrift steht, ist es nicht wert. Putin hat alle Glaubwürdigkeit verloren, er begeht Kriegsverbrechen, er gehört vor einen Internationalen Gerichtshof."
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.