Die Überlebenden des Holocaust werden immer weniger, doch ihre Traumata leben fort - in ihren Kindern. In Israel hat man sich auf die Forschung und Behandlung spezialisiert.
Herzlich, voller Wärme und gleichzeitig aufgewühlt begrüßt uns Dorit Sodowsky in ihrem Zuhause in Rishon Le Tzion in der Nähe von Tel Aviv. Genau wie vor fünf Jahren, als wir sie schon einmal besuchten.
Der Schatten von Auschwitz über den Nachkommen
Damals erzählte uns Dorit von dem Schatten, der über ihr lag, der Schatten von Auschwitz. Der Todesfabrik der Nazis, die ihre Eltern überlebt hatten. Nur physisch überlebt, wie es Dorit nennt: "Meine Mutter hat in der Nacht oft geschrien. Das kam von den Alpträumen. Sie hat immer geträumt."
Ihre Eltern konnten ihr nie sagen, dass sie sie lieben. Dorit vermisst als Kind die Nähe, die Wärme der Mutter, erlebt stattdessen eine Art verkehrte Welt. Sie braucht lange, bis sie versteht, dass auch sie unter einem Trauma leidet, dem sogenannten Trauma der zweiten Generation.
Es war wie eine Erlösung, als er endlich gesprochen hatte
Bis zu ihrem Tod kümmert sich Dorit liebevoll und geduldig um beide Eltern. Doch auch ihr Vater lebt gefangen in seinen Alpträumen und Erinnerungen. Seine gelegentlichen Wutausbrüche und die KZ-Nummer auf seinem Arm lassen Dorit ahnen, was er durchgemacht hat. Doch es ist ihm Zeit seines Lebens nicht möglich, mit der Tochter darüber zu sprechen. Bis zu dem Tag, als wir sie mit der Kamera beim Besuch begleiten, erzählt sie heute. Danach erzählte er plötzlich. Er öffnete sich, erklärt Dorit.
"Und mein Vater stand die ganze Zeit daneben und konnte nichts tun. Nachdem er von diesem Erlebnis endlich erzählt hatte, wurde er irgendwie friedvoller, denn es war sein größtes Geheimnis, das er in seinem Herzen trug." Es sei eine Erlösung gewesen, dass ihr Vater endlich gesprochen habe. Sein letztes Geheimnis habe sie allerdings erst entdeckt, nachdem er gestorben war.
Sein letztes Geheimnis ist ihr persönliches Mahnmal
Wir sollen uns anschauen, was er unter seiner Matratze versteckt hatte, es sei das fehlende Puzzlestück. Es ist der Schaft eines Gewehrs, das einem deutschen Soldaten gehörte. Keiner wisse, wie er in den Besitz ihres Vaters gekommen ist. "Schau es dir an. Meine Hände zittern, halte es für mich", bittet mich Dorit. Mit Nägeln eingeschlagen in das Stück Holz ein Hakenkreuz.
Für Dorit steht fest, er habe das getan, um nie zu vergessen. Er habe sich immer erinnern wollen, mit jeder Faser seines Körpers. Für Dorit selbst ist der Gewehrschaft nun ihr persönliches Mahnmal. Er hilft ihr loszulassen und gleichzeitig nicht zu vergessen. Das sei sie ihrem Vater und sich schuldig.