Chance für Deutschland? Hochqualifizierte, die keine US-Visa mehr erhielten, könnten den Fachkräftemangel lindern, sagt Wirtschaftsweise Schnitzer bei "maybrit illner".
Die Münchner Wirtschaftswissenschaftlerin Monika Schnitzer fordert eine Offensive bei der Anwerbung hochspezialisierter Fachkräfte und Wissenschaftler.
Die USA hätten einen großen Teil ihres wirtschaftlichen Erfolges der Tatsache zu verdanken, "dass sie die klügsten Köpfe aus der ganzen Welt angezogen haben", sagte das Mitglied des Sachverständigenrates in der ZDF-Sendung "maybrit illner".
"maybrit illner“ mit dem Thema "Trump, Corona und die Weltwirtschaft – wie hart trifft es Deutschland?" vom 9. Juli 2020, um 22:15 Uhr im ZDF.
Trumps Visapolitik ist eine Chance
Bislang seien pro Jahr 200.000 hochqualifizierte Arbeitskräfte und doppelt so viele Wissenschaftler in die Vereinigten Staaten gegangen. Nun habe US-Präsident Donald Trump beschlossen, keine Visa mehr zu vergeben. Das sei eine Chance, sagte die Expertin und fügte hinzu:
Dies beträfe insbesondere die Wirtschaftsgebiete Künstliche Intelligenz und Data Science.
Monika Schnitzer bei "maybrit illner"
Kurzarbeitergeld keine Dauerlösung
In der Diskussion um eine mögliche Verlängerung des Kurzarbeitergelds über das Jahresende hinaus betonte Schnitzer, das Instrument sei im Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie genau richtig eingesetzt worden. Die Wirtschaftswissenschaftlerin warnte jedoch davor, es als Dauerlösung zu sehen.
"Wenn es jetzt Bereiche gibt, wo es strukturelle Umbrüche gibt, dann muss am Ende auch der Schnitt gemacht werden. Dann muss man sagen, es müssen Arbeitsplätze abgebaut werden."
Altmaier: Entscheidung im September
Nach Angaben von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) wird die Koalition im September darüber entscheiden, ob eine Verlängerung notwendig sein wird. Er setze darauf, dass parteiübergreifend und unter Einbeziehung von Wirtschaft und Gewerkschaften Entscheidungen auch künftig rechtzeitig getroffen würden, sagte er.
In Bezug auf Trump erklärte Altmaier, dass dieser "die amerikanische Wirtschaft auf Dauer nur in Gang halten könne, wenn er mit der Pandemie anders umgeht".
Peter Altmaier bei "maybrit illner"
Deutschland muss innovativer werden
In Deutschland wolle man eine "große Pleitewelle" verhindern, so der Bundeswirtschaftsminister. Zudem müsse das Land innovativer werden und "jede Chance nutzen, neue Arbeitsplätze in Deutschland anzusiedeln".
Für Sahra Wagenknecht (Die Linke) gibt Präsident Trump das Geld an Leute, die es eigentlich nicht brauchen.
Der Bundesregierung warf die Linken-Politikerin "Marktgläubigkeit" vor, da "auf eine konsistente Industriepolitik völlig verzichtet" wurde. Sie forderte eine Unabhängigkeit von den USA - vor allem im Digitalbereich.
Sahra Wagenknecht bei "maybrit illner"
Zu wenig Beachtung des Niedriglohnsektors
Wagenknecht wünsche sich eine Rückkehr zum "soliden Sozialstaat", da die meisten der systemrelevanten Berufe im Niedriglohnsektor liegen: "hier muss ein Umdenken einsetzen".
Finanzexpertin Sandra Navidi erklärte, dass Trump ein "waschechter und lupenreiner Autokrat" sei und dass seine Anhänger ihm alles glauben. Seine Politik gehe jedoch laut Navidi zu Lasten der Bürger und die Pleitewelle unter den kleinen Firmen habe sich auf 50 Prozent erhöht.
US-Milliardäre nutzen das System aus
"Man kann die Systeme USA und Deutschland nicht miteinander vergleichen", mahnte die Finanzexpertin und fügte hinzu, dass "in den USA viele Millionäre und Milliardäre bei den Unterstützungen abgesahnt haben".
"In den USA wurde in den ersten Tagen nicht gehandelt, die schleichende Ausbreitung wird jetzt sichtbar", betonte Virologe Hendrik Streeck. Gerade die ärmere Bevölkerungsschicht sei davon betroffen, weil es in Amerika kein vergleichbares Sozialsystem gebe.
Lernen, mit dem Coronavirus zu leben
"Die Menschen müssen auch im Krankheitsfall arbeiten gehen, denn sonst erhalten sie keinen Lohn". Laut Streeck müsse man lernen, mit dem Virus zu leben, denn selbst wenn es irgendwann einen Impfstoff geben werde, "wird es aber trotzdem Jahre dauern, bis wir acht Billionen Impfdosen produziert haben", gab er zu bedenken.