Habeck bei "illner": Deutschland tut nicht genug für Ukraine
Ukraine-Debatte bei "illner":Habeck: "Wir tun nicht alles Mögliche"
von Torben Schröder
03.06.2022 | 02:23
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Wo liegen die Grenzen der Unterstützung der Ukraine? Sollte die Bundesrepublik die Waffenlieferungen stoppen? In der ZDF-Sendung "maybrit illner" wurde kontrovers diskutiert.
"Wir tun nicht alles Mögliche", sagt Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). "Wir wollen und dürfen nicht Kriegspartei werden. Aber wir tun alles, was verantwortbar ist, der Ukraine jetzt zu helfen." Das Problem, das der Wirtschaftsminister anspricht: Es gibt, dem Völkerrecht zum Trotz, keine klar definierte Linie.
Wenn wir, wie SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagt, nicht Kriegspartei werden wollten, heiße das auch, die Maßstäbe des russischen Präsidenten Wladimir Putin zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund schwelt die Debatte darüber, ob die Bundesrepublik genug Waffen liefert.
Habeck: "Nicht nur ausgedienter Schrott"
Habeck sagt: "Es sind viele und sehr moderne Waffen dabei, nicht nur ausgedienter Schrott." Die Gegenthese spricht die Journalistin Eva Quadbeck (Redaktionsnetzwerk Deutschland) aus. Kanzler Olaf Scholz (SPD) äußere damit, dass die Ukraine den Krieg nicht verlieren dürfe, lediglich ein "Minimalziel". "Auf diesem Niveau liefert Deutschland auch Waffen." Soll das erklärte Ziel sein, dass die Ukraine gewinnt? "Sieg ist ein nach oben offener Begriff", betont Habeck.
Konsensfähig fände der Vizekanzler, wenn die Ukraine den Status Quo vor dem russischen Angriff am 24. Februar anstrebe. Die Ukraine sollte wissen, dass Deutschland sie auf diesem Weg unterstütze, fordert der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Kühnert geht einen Schritt weiter: "Uns geht es um die legitimen Interessen der Ukraine in ihren völkerrechtlichen Grenzen." Das schließt frühere russische de-facto-Eroberungen etwa an der Krim ein. Konsens ist, dass die Ukraine ihre Ziele selbst definieren sollte.
Eigendorf: Putin führt Vernichtungskrieg
Die ZDF-Auslandsreporterin Katrin Eigendorf spricht von einem russischen "Vernichtungskrieg vor allem gegen die Zivilbevölkerung". Es könne keine sichere Welt geben mit einem starken Wladimir Putin. "Ich fürchte, wir müssen uns auf einen langen Krieg einstellen", sagt Eigendorf mit Blick auf die ukrainische Bevölkerung, für die es großteils "alternativlos" sei, ihr Land zu verteidigen.
Für Kiesewetter geht es bei der westlichen Unterstützung auch um die Signalwirkung. Lasse man die Ukraine im Stich, wäre die Wirkung nach außen fatal, was China sich zunutze machen könne. Kiesewetter sieht die Gefahr, dass der Krieg zu einem scheinbaren Normalzustand werde.
Es sei nicht die Frage ob, sondern wann die Krim zurückerobert würde, "wir verstehen, dass wir nach wie vor unterlegen sind", so Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland.03.06.2022 | 5:13 min
Habeck: Auch gröbstes Übel hinterfragen
"Wir müssen uns immer wieder zwingen, die menschliche Gewöhnung auch an das gröbste Übel zu hinterfragen", unterstreicht Habeck. Deshalb müsse die Politik auch mit Blick auf die Energiepreise, dafür sorgen, dass der gesellschaftliche Frieden gehalten werde. Sonst drohe der Rückhalt für die Sanktionen zu schwinden, die Habeck als "höchst wirksam" einordnet.
Einer gänzlich anderem Argumentationslinie folgt der Politikwissenschaftler Johannes Varwick (Uni Halle-Wittenberg):
Unser oberstes Interesse muss und sollte sein, einen Krieg mit Russland zu vermeiden.
Johannes Varwick
Aktuell werde die Ukraine mit Waffenlieferungen weiter in einen Krieg getrieben, der ohne westliche Unterstützung schon verloren wäre. "Wir müssen diesen Konflikt einfrieren. Einen aussichtslosen Kampf zu unterstützen macht keinen Sinn", sagt Varwick.
Schmutziger Ausgleich mit Russland?
Stattdessen müsse ein "nüchterner, vielleicht auch schmutziger Interessenausgleich" mit Russland erzielt werden. Womöglich mit der Ukraine als neutralem Staat. "Die Eskalationsfähigkeit in diesem Konflikt liegt auf russischer Seite", sagt Varwick, "was wir derzeit machen, ist ein Ritt auf der Rasierklinge."
Quadbeck hält entgegen: "Wir haben zu viel Appeasementpolitik gegenüber Putin betrieben. Mit Putin ist nicht mehr zu reden. Einen Verhandlungsfrieden wird es mit Putin sicher nicht geben." Ob es eine diplomatische Chance gibt, könne, so Habeck, nur die Ukraine selbst entscheiden: "Sie kann erst dann entstehen, wenn Putin nicht mehr militärisch gewinnen kann."
Das Aktionsbündnis Katastrophenhilfe hilft Menschen in der Ukraine und auf der Flucht. Gemeinsam sorgen die Organisationen Caritas international, Deutsches Rotes Kreuz, Diakonie Katastrophenhilfe und UNICEF Deutschland für Unterkünfte und Waschmöglichkeiten, für Nahrungsmittel, Kleidung, Medikamente und andere Dinge des täglichen Bedarfs. Auch psychosoziale Hilfe für Kinder und traumatisierte Erwachsene ist ein wichtiger Bestandteil des Hilfsangebots.
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Seit Februar 2022 führt Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Kiew hat eine Gegenoffensive gestartet, die Kämpfe dauern an. News und Hintergründe im Ticker.