Deutschland scheut ein Energie-Embargo - und wenn Russland den Gas-Hahn zudreht? Gesamtmetall-Chef Wolf fordert, die Industrie zu priorisieren. FDP und CDU zeigen Verständnis.
"maybrit illner" mit dem Thema „Werte, Waffen, Wirtschaftskraft – mit aller Macht gegen Putin?" vom 7. April 2022, um 22:15 Uhr im ZDF.
Jeden Tag, sagt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz, ringt er, ringt seine Unionsfraktion, um die richtige Antwort. Keinerlei Energie mehr aus Russland zu beziehen, würde dem Ziel dienen, dass die Kriegsmaschinerie zusammenbricht. Aber es hätte auch "katastrophale" Folgen für die deutsche Wirtschaft.
"Wenn wir wüssten, dass zwei Wochen danach der Krieg beendet wäre, müssten wir es tun", sagt Merz in der ZDF-Sendung "maybrit illner" zum Thema Gas-Embargo. Nur: So wäre es wohl nicht. Und die Bundesrepublik müsse damit rechnen, dass Putin selbst den Hahn zudreht.
- Fakten-Box | 16. März 2023
Zahlen, Daten, Fakten zum Thema der "maybrit illner"-Sendung am 16. März 2023.
Droht Spaltung der Gesellschaft?
Die wirtschaftlichen Folgen eines vollständigen Lieferstopps wären dieselben, sagt Merz - egal, ob von Deutschland oder vom russischen Präsidenten veranlasst. Die politischen Folgen aber wären grundverschieden. Im erstgenannten Fall fürchtet der CDU-Chef eine Spaltung der Gesellschaft, im zweitgenannten Fall eher ein Zusammenrücken. Unabhängig davon wären die dramatischen wirtschaftlichen Konsequenzen.
"Wir müssen unsere Wirtschaft erhalten", betont Stefan Wolf, Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall. Und fordert "Notfallpläne, damit die Industrie am Laufen bleibt". Notwendig sei, wenn das Gas knapp wird, eine Priorisierung der Industrie gegenüber den privaten Haushalten. Wenn kein Gas mehr in die Fabriken fließt, drohe "der totale Kollaps der deutschen Industrie".
Wolf: Millionen in Kurzarbeit
Die Folgen, die der Gesamtmetall-Chef befürchtet: Millionen Beschäftigte müssten in Kurzarbeit, zahlreiche Betriebe würden kaputt gehen. "In dieser Situation brauchen wir ein starkes Deutschland und eine starke Wirtschaft", betont Wolf. Auf dem Weg zur autarken Energieversorgung würden Investitionen benötigt. Das Geld müsse aber auch erwirtschaftet werden.
Welche Folgen hat der Engpass für Unternehmen und Verbraucher?
"Ich bin offen für eine Repriorisierung", sagt FDP-Fraktionschef Christian Dürr. "Wenn wir wirtschaftlich abbrechen, können wir auch andere Dinge nicht durchhalten." Es gehe beispielsweise um die gesamte pharmazeutische Industrie, stimmt Merz zu. "Da ist das Wohnzimmer nicht ganz so prioritär." Vor allem mit Blick auf den kommenden Winter, wenn die Energiespeicher leer seien, gelte es vorzubeugen.
Masala: Moskau will zermürben
Die Gräueltaten des russischen Militärs forcieren die Debatte über weitere Sanktionen. "Was wir in Butscha sehen, ist Teil der russischen Militärstrategie", sagt der Militärexperte Carlo Masala. "Das ist kein Zufall, das ist Systematik. Es geht darum, die ukrainische Zivilbevölkerung zu demütigen und von ihrer Armee zu distanzieren."
Masala regt an, russisches Gas mit Importzöllen zu belegen und die Sanktionen schrittweise zu intensivieren, wenn ein Embargo aktuell nicht zu leisten ist. Und: "Wir müssen bei den Waffenlieferungen wirklich aufs Gas steigen." Ein Gas-Stopp verhindere keine Kriegsverbrechen, und Sanktionen allein würden den Krieg nicht beenden. Der Krieg werde wohl noch Monate andauern.
Tote Zivilisten auf der Straße - im Kiewer Vorort zeigt sich ein Bild des Schreckens. ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf mit Eindrücken aus der Ukraine bei ZDFheute live.
Dürr: Naivität gegenüber Russland
Also muss, findet Dürr, neben schweren Waffen auch über Munitionslieferung und Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte nachgedacht werden. "Zehn, zwanzig Jahre waren wir gegenüber Russland wirklich naiv." Ziel müsse sein, die wirtschaftlichen Beziehungen abzubrechen. Die Kriegsverbrechen in Butscha, die auch anderswo drohten, müssten vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zur Anklage gebracht werden.
"Es wurde weggeschaut", kritisiert die ukrainische Verlegerin Kateryna Mishchenko. Dass nach 2014, als Putin schon in Teile der Ukraine einmarschiert war, weiter die Gas-Pipeline Nord Stream auf der Agenda stand, "war keine Naivität". Bei Sanktionen und Waffenlieferungen stehe Deutschland auf der Bremse. Merz kritisiert die SPD-Verteidigungsministerin Christine Lambrecht scharf: "Sie ist völlig überfordert, völlig ungeeignet, eine reine Notlösung."
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