Russlands Angriffe auf Infrastruktur: Ukrainer bleiben hart

    Angriffe auf Infrastruktur:Russland wird Ukrainer nicht brechen

    von Christian Mölling, András Rácz
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    Aufatmen ist kaum möglich, Aufgeben für Ukrainer keine Option: Immer noch greift Moskau die Infrastruktur an, mit neuen Waffen. Das Volk knickt nicht ein, nur Flucht ist möglich.

    Angesichts des sich ankündigenden noch kälteren Wetters ist es wahrscheinlich, dass Russland weiterhin die kritische zivile Infrastruktur der Ukraine angreifen wird. Entgegen früheren Hoffnungen, dass Russland langsam die Präzisionslenkwaffen ausgehen und die Intensität der Angriffe daher abnehmen könnte, deutet ein aktueller Bericht des "Conflict Armament Research"-Teams (CAR) darauf hin, dass Moskau trotz der westlichen Sanktionen weiterhin in der Lage ist, zumindest bestimmte Typen von Marschflugkörpern herzustellen.
    Zwei Kh-101-Raketen, die bei dem Angriff am 23. November auf Kiew abgefeuert wurden, wurden Berichten zufolge nur wenige Monate vor diesen Angriffen hergestellt. Dies deutet darauf hin, dass die Sanktionen die Produktion dieses Marschflugkörpertyps nicht vollständig unterbrochen haben.

    Iran kommt Russland zur Hilfe

    Zusätzlich zu den im eigenen Land hergestellten Marschflugkörpern wird Russland zunehmend auf Drohnen aus Iran zurückgreifen. Einem weiteren CAR-Bericht zufolge war der Iran trotz der westlichen Sanktionen in der Lage, eine große Anzahl eher primitiver, aber dennoch effizienter Drohnen zu produzieren.



    Alle drei Haupttypen iranischer Drohnen, die Shahed 131, die Shahed 136 und die Mohajer-6, enthalten Teile westlicher (vor allem US-amerikanischer) Herkunft, was darauf hindeutet, dass es Teheran gelungen ist, alternative Lieferketten aufzubauen, mit denen die Sanktionen umgangen werden können. Daher ist es wahrscheinlich, dass Russland zumindest einige Marschflugkörper und Drohnen für den Einsatz gegen die ukrainische Energieinfrastruktur in einer nachhaltigen Lieferkette bereithält.

    Ukrainer haben nicht nur zwei Optionen

    Dennoch werden selbst Massenangriffe auf die zivile kritische Infrastruktur die Moral der ukrainischen Bevölkerung kaum brechen können. In der Wahrnehmung vieler westlicher Kommentatoren scheint es ein falsches Dilemma hinsichtlich der Optionen der ukrainischen Zivilbevölkerung zu geben. Ein "falsches Dilemma" ist die Annahme, dass in einer bestimmten Situation nur zwei Optionen zur Verfügung stehen, während es in Wirklichkeit mehr als zwei sind.
    Die ukrainische Zivilbevölkerung hat in der Tat mehr Möglichkeiten als die binäre Wahl, in ihren ungeheizten Wohnungen zu frieren oder sich gegen ihren Präsidenten Wolodomyr Selenskyj aufzulehnen und die Regierung an den Verhandlungstisch zu zwingen. Die wahrscheinlichste Möglichkeit für Hunderttausende von Ukrainern ist die Flucht aus den zerstörten, energiearmen Städten, entweder aufs Land oder in den Westen.
    Der Leiter des norwegischen Flüchtlingsrats, Jan Egeland, sagte kürzlich in einem Interview, dass Hunderttausende von Ukrainern im Winter nach Europa fliehen könnten, weil die russischen Bombardierungen "unerträgliche Bedingungen" geschaffen hätten. Diese Einschätzung deckt sich mit der von Litauen: Vilnius rechnet mit etwa 100.000 Ukrainern, die in dem Land Schutz suchen werden. Doch selbst wenn es zu einem weiteren Flüchtlingsstrom mit Hunderttausenden von Menschen kommen sollte, die in Europa Schutz suchen, wird dies die Moral der ukrainischen Bevölkerung und den Kampfgeist der ukrainischen Armee und der politischen Führung kaum brechen können.

    Zuversicht unter der Bevölkerung

    Laut einer kürzlich von der ukrainischen Rating Group veröffentlichten Umfrage sind 75 Prozent der Ukrainer absolut sicher, dass die Ukraine den russischen Angriff abwehren kann, weitere 21 Prozent sind sich ziemlich sicher. Diese 75 Prozent sind der höchste Wert seit Beginn des Krieges, und auch die Summe der beiden Zahlen von insgesamt 96 Prozent ist rekordverdächtig.



    Die Umfrage basiert auf Befragungen, die am 20. und 21. November durchgeführt wurden, also zu einem Zeitpunkt, als Russland bereits aktiv das Energiesystem der Ukraine zerstörte. Dennoch glauben 65 Prozent der Ukrainer, dass das kommende Jahr besser sein wird als 2022, und insgesamt sind 89 Prozent der Menschen optimistisch. Die Umfragen zeigen auch, dass die Bevölkerung die wirtschaftliche Not sehr stark spürt: 81 Prozent gaben an, dass sich die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert hat; 63 Prozent der Befragten sagten, dass sich auch die wirtschaftliche Lage ihrer eigenen Familie verschlechtert hat, während nur vier Prozent von einer gewissen Verbesserung in ihrer Familie berichteten.
    Diese Daten deuten darauf hin, dass sich die Gesellschaft der Lage im Lande bewusst ist und dass ihre Widerstandsfähigkeit und Moral trotz der offensichtlichen extremen Schwierigkeiten sehr hoch sind.
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