Fast 150 Milliarden Euro müssten Kommunen laut einer Studie in Infrastruktur investieren. Vielerorts herrscht Sanierungsstau. Wissenschaft und Wirtschaft arbeiten an Lösungen.
Schlaglochpisten, marode Brücken und bröckelnde Hausfassaden - Deutschlands Sanierungsstau ist riesig. Neue Ideen sollen helfen, die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen.
Der Sanierungsstau wird immer länger. 147 Milliarden Euro müssten allein Deutschlands Kommunen investieren, um zukunftsfähig zu sein. Das hat eine Studie der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ergeben.
Der größte Teil des Geldes wird für öffentliche Gebäude - insbesondere Schulen - sowie Straßen und Brücken gebraucht.
Brückenbau mit Carbon
Deutschlands Kommunen sind verantwortlich für etwa 67.000 Straßenbrücken, dazu kommen nochmal tausende Fußgänger- und Fahrradbrücken. Ihre Instandhaltung verschlingt jedes Jahr viele Milliarden an Steuergeldern.
Ein Problem: Nach 25 Jahren müssen viele Brücken komplett ersetzt werden.
Dirk Büchler aus Mecklenburg-Vorpommern will das ändern. Mit Brücken aus Carbon. Sie sollen länger halten, weil Carbon weder rostet noch verrottet. Büchler erklärt:
Auf Rügen hat sein Entwurf einer 24 Meter langen Fahrradbrücke die Stadtvertreter von Sassnitz überzeugt. Sie war günstiger in der Produktion und wurde an nur einem Tag aufgestellt. Mit ihr betreten die Sassnitzer zukunftweisendes Neuland im Brückenbau.
Die Vorteile von Carbon könnten den Brückenbau revolutionieren. Doch es gibt auch einen Nachteil: Normalerweise wird der Stoff aus Erdöl gewonnen. Die Erdölvorräte aber sind begrenzt und bei der Förderung von Öl werden auch viele Treibhausgase freigesetzt, die den Klimawandel beschleunigen.
Am Deutschen Institut für Textil und Faserforschung in Denkendorf bei Stuttgart haben es die Wissenschaftler*innen Frank Hermanutz und Antje Ota geschafft, aus Holzfasern Carbon herzustellen mit ähnlichen Eigenschaften wie herkömmliches Carbon aus Erdöl.
Damit kann der Baustoff umweltfreundlicher werden, denn Holz ist ein nachwachsender Rohstoff. Die Forscherin Anje Ota beschreibt das Potential von Carbon aus Holz:
Gebäudesanierung in Modulbauweise
Aber auch im Bereich Bau gibt es Innovationen. In den Niederlanden haben Kommunen, Energieversorger und Unternehmen einen Plan entwickelt, wie sie gemeinsam Tausende alter Wohngebäude dämmen können, ohne dass die Mieten steigen. Bauunternehmer Jan Willem Sloof erklärt:
Er fertigt Wand- und Dachmodule in großen Werkshallen vor und saniert mehrere Reihenhäuser gleichzeitig an einem Tag: Mit vorgefertigten Fassaden. Die kurze Bauzeit erlaubt den Bewohnern, in ihren Häusern zu bleiben.
Kombiniert mit Solarpanelen auf den Dächern und mit intelligenten Heiz- und Lüftungssystemen, werden alte Wohnblöcke zu Null-Energie-Häusern.
Bis 2030 sollen EU-weit über 35 Millionen Gebäude saniert werden. Das Fertigbau-Konzept aus den Niederlanden könnte dabei helfen.
[Lesen Sie hier, wie Deutschland die Klimaziele 2020 einhält.]
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Straßenbau mit neuem Asphalt
Beim Straßenbau ist der Sanierungsstau im Material begründet: Nur etwa zwölf Jahre hält die Asphaltdecke einer Autobahn im Schnitt, dann machen Kälterisse oder Spurrillen die Fahrbahn zu einer gefährlichen Schlaglochpiste.
Nicolas Carrenio von der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hat ein Mittel gefunden, das sowohl den Belastungen im Sommer als auch im Winter besser standhalten soll.
Ein chemisches Gemisch, das nach drei Jahren Forschung im Labor jetzt erstmals auf deutschen Autobahnen aufgebracht wurde. Carrenio erklärt:
Mit der neuen Technik könnte sich die Haltbarkeit von Asphaltdecken deutlich verlängern – von zwölf auf achtzehn Jahre. Und den Autofahrer*innen bleiben jede Menge Staus vor Autobahnbaustellen erspart.