100 Tage danach: Wie Mahsa Aminis Tod den Iran verändert

    100 Tage danach:Wie Mahsa Aminis Tod den Iran verändert

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    Vor 100 Tagen starb Jina Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenpolizei im Iran. Ihr Tod löste eine massive Protestwelle aus. Was haben die Proteste seitdem erreicht?

    Iranians woman protests a 22-year-old woman Mahsa Amini's death after she was detained by the morality police, in Tehran, Saturday, Oct. 1, 2022.
    Der Tod von Jina Masha Amini führte löste im Iran eine Protestwelle aus. Wie sieht es in dem Land 100 Tage danach aus?
    Quelle: AP

    Als die junge iranische Kurdin Jina Mahsa Amini vor 100 Tagen in einem Krankenhaus im Sterben liegt, haben viele Menschen im Iran bereits einen Verdacht. Sie gehen bereits davon aus, dass Amini nach ihrer Festnahme durch die Sittenwächter Gewalt erlitten haben muss. Die berüchtigte Sittenpolizei hatte die Studentin nur drei Tage zuvor wegen eines vermeintlich falschsitzenden Kopftuchs mitgenommen.
    Ein Foto, das die 22-Jährige mit Beatmungsschlauch und geschlossenen Augen auf einer Intensivstation in der Hauptstadt Teheran zeigt, verbreitet sich rasant. Sie stirbt, und am Tag nach ihrem Tod entladen sich Wut und Trauer in einer ersten Demonstration.
    Ausgehend von Aminis Heimatprovinz Kurdistan verbreiten sich die Proteste im Iran wie ein Lauffeuer.
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    Drei Monate Proteste und ziviler Ungehorsam

    Seit mehr als drei Monaten demonstrieren Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten und Generationen nun bereits gegen die repressive Politik und das System der Islamischen Republik. Der Sicherheitsapparat reagiert mit äußerster Härte, mehr als 500 Demonstranten sollen nach Einschätzung von Menschenrechtlern bereits getötet worden sein.
    Fatemeh Shams, Assistenzprofessorin an der University of Pennsylvania in den USA, bezeichnet die Proteste als "größte Herausforderung für den Kern des derzeitigen Regimes und seiner Ideologie in den vergangenen 43 Jahren."

    Politische Führung in Teheran folgt eisernem Kurs

    Die Führung der Islamischen Republik setzt weiter auf einen harten Kurs gegen die Demonstranten. In den Kurdengebieten etwa gingen die Revolutionsgarden und die berüchtigten Basidsch-Milizen in gepanzerten Fahrzeugen mit scharfer Munition gegen Aufstände vor. Zahlreiche prominente Sportler, Künstler sowie Schauspielerinnen, die sich mit den Protesten solidarisieren, werden vorgeladen, verhört und inhaftiert.
    Die Straßenproteste werden begleitet von kreativem Protest und zivilem Ungehorsam - Demonstranten schubsen etwa Mullahs die Turbane vom Kopf, füllen öffentliche Brunnen mit Kunstblut oder beschmieren Plakate einflussreicher Staatsmänner mit roter Farbe.
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    Internationale Reaktionen und Solidarität

    Seit Beginn werden die Proteste von einer breiten Welle der internationalen Solidarität begleitet. Vor allem die große iranische Gemeinschaft im Ausland unterstützt die Kritik am Regierungskurs sowie die Forderungen nach einem politischen Systemwechsel im Iran.
    Viele westliche Regierungen im Ausland haben mit scharfer Kritik an Teheran eine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen in Kauf genommen. Die Verhandlungen zur Wiederbelebung des Atomabkommens, das den Iran am Bau einer Atombombe hindern soll, liegen weiter auf Eis.

    Menschenrechtler: Hinrichtungen als Abschreckung

    Die Exekution von zwei Demonstranten im Dezember hat löste weltweit Fassungslosigkeit aus. Menschenrechtler sehen hinter den Hinrichtungen den Versuch, die Proteste durch Abschreckung zu ersticken. Die Urteile im Schnellverfahren stießen jedoch auch in Teilen der religiösen und traditionellen Schicht im Iran auf große Ablehnung. Auch islamische Prediger im Iran verurteilten die Hinrichtungen.

    Selbst die Mehrheit der traditionellen, religiösen Bevölkerung des Landes ist entsetzt über die brutale Gewalt im Namen des Islam.

    Fatemeh Shams, Assistenzprofessorin an der University of Pennsylvania in den USA

    Hoffnungen der Protestbewegung auf einen schnellen Systemwechsel sieht Expertin Shams skeptisch. Gleichzeitig warnt sie vor den möglichen Folgen einer ausbleibenden Revolution: "Wenn sie die Menschen dieses Mal völlig zum Schweigen bringen und die Welt das durchgehen lässt, würde das die Zivilgesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern, weil die Menschen im Grunde nichts mehr zu verlieren hatten."
    Quelle: dpa
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