Hinrichtung in Iran: Harte Vorwürfe der Tochter von Sharmahd
Interview
Hinrichtung von Deutsch-Iraner:"Sehe meinen Vater wieder - in einem Sarg"
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Sechs Monate nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd nimmt seine Tochter in Berlin den Leichnam entgegen. Und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung.
Gazelle Sharmahd wirft der deutschen Politik Untätigkeit vor. Sie habe nicht genug unternommen, um ihren Vater zu retten.
Quelle: dpa
Sechs Monate nach der Hinrichtung des Deutsch-Iraners Jamshid Sharmahd im Iran nimmt seine Tochter Gazelle in Berlin den Leichnam entgegen. Zur Trauerfeier sind neben Familie und Freunden auch Spitzenpolitiker wie Friedrich Merz, Cem Özdemir, Franziska Giffey und Saskia Esken angekündigt. Im Interview spricht Gazelle Sharmahd über Versagen der Politik - und warum ihr Kampf trotz allem nicht endet.
ZDFheute: Frau Sharmahd, wie geht es Ihnen heute?
Gazelle Sharmahd: Dieses Gefühl ist nicht in Worte zu fassen. Es ist Schock, Ohnmacht, eine emotionale Achterbahnfahrt. Heute Nachmittag werde ich zum ersten Mal seit fünf Jahren meinen Vater wiedersehen - seinen Leichnam. Wenn es überhaupt mein Vater ist. Wir haben bisher keine offizielle Bestätigung erhalten, keine Autopsieergebnisse.
Jahrelang habe ich mir vorgestellt, ihn endlich wieder in die Arme schließen zu können. Und jetzt sehe ich meinen Vater wieder - in einem Sarg.
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Gazelle Sharmahd
Niemand kann mir meinen Vater zurückbringen. Aber die Verantwortung des deutschen Staates endet nicht mit seinem Tod. Es gibt eine Schutzpflicht, die nicht erfüllt wurde. Jetzt gibt es eine Ermittlungspflicht - und die muss eingehalten werden. Unser Einsatz für Gerechtigkeit geht weiter.
Gazelle Sharmahd, die Tochter des in Iran hingerichteten deutschen Staatsbürgers Djamshid Sharmahd, macht der deutschen Politik im ZDF-Interview schwere Vorwürfe.31.10.2024 | 3:07 min
ZDFheute: Zuerst hat der Iran die Hinrichtung ihres Vaters bekannt gegeben, danach dementiert - was macht das mit Ihnen?
Ich erwarte nicht, dass ein Terror-Regime, das selbst für die Ermordung meines Vaters verantwortlich ist, diesen Fall aufklärt. Das wäre absurd.
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Gazelle Sharmahd
Sharmahd: Meine Erwartungen richten sich an die Rechtsstaaten dieser Welt - an diejenigen, die für sich beanspruchen, für Menschenrechte, Gerechtigkeit und gegen Terrorismus einzustehen. Also an Deutschland, an die USA, an die Vereinten Nationen.
Diese Akteure müssen zeigen, dass ihre Werte nicht nur Worte sind, sondern auch in Taten sichtbar werden. Doch in den vergangenen fünf Jahren haben sie vielfach das Gegenteil bewiesen. Es wurde weiter mit dem Regime verhandelt, trotz offensichtlicher Menschenrechtsverletzungen. Deutschland ist nach wie vor einer der wichtigsten Handelspartner des Iran.
Quelle: dpa
.. war ein deutsch-iranischer IT-Experte und politischer Aktivist. Er wurde 1955 in Teheran geboren, wuchs in Deutschland auf und lebte zuletzt in den USA. Als Mitglied der exiliranischen Oppositionsgruppe Tondar geriet er ins Visier des iranischen Regimes. Im Juli 2020 wurde er während eines Zwischenstopps in Dubai vom iranischen Geheimdienst entführt und in den Iran verschleppt. Dort wurde er in einem international als Schauprozess kritisierten Verfahren zum Tode verurteilt. Am 28. Oktober 2024 wurde er hingerichtet. Seine Tochter, Gazelle Sharmahd, kämpfte jahrelang für seine Freilassung und fordert nun Aufklärung und Konsequenzen.
ZDFheute: Wie beurteilen Sie den Umgang der Bundesregierung mit dem Fall Ihres Vaters - und was erwarten Sie heute noch von der Politik?
Sharmahd: Ich habe keine echte Unterstützung erlebt. Statt entschlossenem Handeln gab es nur symbolische Gesten. In einer Phase, in der es noch Handlungsspielräume gegeben hätte, blieb die Bundesregierung untätig. Auch nach seiner Ermordung blieben politische Konsequenzen für das Regime aus. Statt einem klaren Bruch mit Teheran wurden lediglich Konsulate geschlossen - ein Schritt, der das Regime kaum beeindruckt.
Es gab keine Anklagen, keine juristische Aufarbeitung. Unsere Strafanzeige wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit wurde zurückgewiesen. Das alles zeigt: Im Fall meines Vaters - wie auch in der Iran-Politik insgesamt - dominieren wirtschaftliche Interessen. Menschenrechte bleiben dabei auf der Strecke.
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ZDFheute: Welche Maßnahmen hätte die internationale Gemeinschaft ergreifen müssen?
Sharmahd: Kriminelle müssen wie Kriminelle behandelt werden. Stattdessen empfangen wir Vertreter eines Unterdrückungsapparats wie Staatsgäste. Es ist doch bezeichnend: Mit Gruppen wie Al-Qaida oder dem sogenannten IS würde sich kein westlicher Staat an einen Verhandlungstisch setzen.
Warum also mit einem Regime, das nachweislich Menschen entführt, foltert und ermordet - darunter deutsche Staatsbürger?
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Gazelle Sharmahd
Mein Vater war Deutscher und Amerikaner. In beiden Ländern wurden starke Worte gefunden, aber die versprochenen Konsequenzen blieben aus. Friedrich Merz übernahm die politische Patenschaft für meinen Vater, sprach von Konsequenzen - jetzt muss er liefern.
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ZDFheute: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Sharmahd: Ich habe keine Wünsche mehr. Mein Wunsch, dass meine Tochter ihren Großvater kennenlernen wird, wurde mir genommen. Was bleibt, ist die Pflicht, laut zu sein, die Wahrheit zu sagen, sich dem Terror entgegenzustellen, denn der Fall meines Vaters ist kein Einzelfall. Der Terrorismus weltweit bedroht uns alle.
Selbst hier in Deutschland muss ich mich vor Bedrohungen durch das Islamische Regime und dessen Unterstützer schützen.
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Gazelle Sharmahd
Ich bin mit Personenschutz unterwegs, weil ich mich auf deutschem Boden nicht sicher fühle. Das zeigt, wie weit der Einfluss eines solchen Regimes reicht - auch in unsere Gesellschaft. Wir dürfen das nicht ignorieren.
Das Interview führte ZDFheute-Redakteurin Ninve Ermagan