Wut der Frauen: Irans Opposition hat vor allem eine Schwäche
Protest nach Tod junger Frau:Irans Opposition hat vor allem eine Schwäche
von Jörg Brase
20.09.2022 | 18:37
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Menschen im Iran gehen nach dem Tod einer jungen Frau auf die Straße. Die Wut im Volk sucht sich ein Ventil. Doch die Opposition im Iran leidet an einer grundlegenden Schwäche.
Mahsa Amini war gerade mal 22 Jahre alt. Angeblich kerngesund, sagt ihre Familie. Trotzdem bricht sie Anfang vergangener Woche auf einer Polizeiwache in Teheran bewusstlos zusammen, fällt ins Koma und stirbt. Die Polizei behauptet, sie habe Mahsa Amini kein Haar gekrümmt. Sie sei an einem Herzinfarkt gestorben. Doch solchen Aussagen trauen die wenigsten. Was ist passiert?
Mahsa Amini: Verhaftet wegen eines Kopftuchs
Amini reist am Dienstag aus ihrer Heimatstadt Saqez im Nordwesten des Iran in die Hauptstadt, um an einer Familienfeier teilzunehmen. Dabei gerät sie in eine Razzia der Sittenpolizei. Den Beamten missfällt die offene Art, in der sie ihr Kopftuch trägt. Sie nehmen sie und einige andere Frauen fest. Angeblich, so behauptet es Teherans Polizeipräsident, ohne Gegenwehr. Die Frauen hätten kooperiert, heißt es.
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Sofort, nachdem die Nachricht von Aminis Tod die Runde macht, explodieren die Nachrichtenzahlen in den sozialen Medien. Es melden sich angebliche Augenzeugen, die gesehen haben wollen, dass es zu Handgreiflichkeiten kam, dass Mahsa Amini geschlagen wurde, dass ihr Kopf gegen die Wand des Polizeiwagens prallte. Dies sei der Grund für eine Kopfverletzung gewesen, die zu einer Hirnblutung und schließlich zu einem Gehirnschlag führte.
Mahsa Amini wurde nur 22 Jahre alt.
Quelle: Imago
Präsident Raisi fordert Aufklärung des Falls
Aufgeschreckt durch den öffentlichen Aufschrei schaltet sich Irans Präsident Ebrahim Raisi ein und ordnet eine sofortige Untersuchung der Todesumstände an. Doch da rollt bereits die Welle der Wut und Empörung durch Kanäle wie Twitter, Instagram und Facebook.
In Aminis Heimatregion gehen Menschen bereits am Freitag, dem Tag der Todesnachricht, auf die Straße, es kommt zu ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Im Laufe des Wochenendes schwillt die Protestwelle an. Am Montag schließlich kommt es in allen größeren Städten des Landes zu Demonstrationen, auch in der Hauptstadt Teheran.
Der Tod der 22-Jährigen Iranerin Mahsa Amini hat eine große Empörungswelle ausgelöst. Im Iran sind Tausende Menschen auf die Straßen gegangen - und fordern Aufklärung.
In den sozialen Medien solidarisieren sich Frauen, vor allem Exil-Iranerinnen auf der ganzen Welt mit Mahsa Amini. Einige schneiden sich die Haare ab, andere reißen sich ihr Kopftuch herunter und schwenken es öffentlich, stellen die Bilder danach ins Internet.
Gewaltsamen Proteste zunächst auf Kurdengebiete beschränkt
Es scheint, als sei Aminis Tod der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Seit Jahren protestieren Frauen, vor allem aus den modernen, urbanen Zentren, gegen den Kopftuchzwang. Immer wieder kommt es zu Protesten, die meist von den Sicherheitsbehörden schnell und auch brutal beendet werden.
Auch aus anderen Gründen wie hoher Benzinpreise, hoher Inflation, Misswirtschaft und vor allem Wassermangel gab es in den vergangenen zwei Jahren teilweise heftige Auseinandersetzungen mit Hunderten von Toten.
Hat nun diese aktuelle Bewegung das Potential, das Regime zu Reformen oder gar zu Fall zu bringen? Die gewaltsamen Proteste sind zunächst beschränkt auf die Kurdengebiete in Iran. Hier gibt es seit Langem einen teilweise offenen Bürgerkrieg gegen das Regime in Teheran.
Proteste ohne Strategie und Logistik
Aminis Tod ist hier Anlass für neuerliche Auseinandersetzungen aus altbekannten Gründen. Mit vermutlich bekanntem Ausgang: Es wird zahlreiche Festnahmen und sicher auch Tote geben. In den Städten ist der Protest wieder beschränkt vor allem auf das studentische Milieu.
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Immer wieder war es in der Vergangenheit an den großen Universitäten zu politischem Widerstand gekommen. Auch hier vermochte es das Regime, durch massive Polizeipräsenz den Aufstand im Keim zu ersticken.
Und so muss auch diesmal erwartet werden, dass der aufgestaute Unmut in der Bevölkerung wieder einmal verpuffen wird, weil die Opposition in Iran an seiner grundlegenden Schwäche leidet: Sie ist nicht organisiert. Es sind viele einzelne Proteste, ohne Strategie und Logistik. So wird das Regime vermutlich auch dieses Mal die Oberhand behalten.