Iran: Wie läuft der Kampf gegen das Mullah-Regime?

    Proteste in Iran:Wie läuft der Kampf gegen das Mullah-Regime?

    ZDF-Korrespondent Jörg Brase
    von Jörg Brase
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    Die Staatsführung droht und setzt der Protestbewegung ein Ultimatum. Die aber marschiert weiter. Die Zahl der Opfer wächst. Und ein Ende des Konflikts ist nicht in Sicht.

    ZDFspezial: Proteste in iran
    In Iran gehen die Proteste gegen die autoritäre Regierung weiter. Jetzt hat das Auswärtige Amt alle Deutschen aufgefordert, das Land zu verlassen.03.11.2022 | 15:08 min
    "Wenn wir es nicht schaffen, das Regime zu stürzen, werden sie uns fertigmachen!" Die junge Frau will nicht, dass wir ihren Namen nennen. Sie will nicht, dass wir die Umstände unseres Gesprächs beschreiben, will keine Informationen preisgeben, die der anderen Seite Hinweise auf ihre Identität geben könnten. Denn sie hat Angst um ihre Familie. "Meine eigene Angst unterdrücke ich", sagt sie, "damit ich weiter für den Sieg kämpfen kann. Ich kann an nichts anderes mehr denken."
    Sie ist jung, sie ist Studentin, und sie weigert sich, ein Kopftuch zu tragen. Seit Wochen geht sie gegen die Regierung auf die Straße, und sie sagt, dass die Zahl der Menschen, die die Protestbewegung unterstützen oder sich ihr aktiv anschließen, von Tag zu Tag wachse. Doch auch die Gegenseite rüste auf, sagt sie.

    Sie rekrutieren ganz normale Leute, um die Proteste zu unterdrücken, indem sie ihnen viel Geld dafür zahlen. Sie sprechen gezielt arme Leute an, um so die Sicherheitskräfte zu verstärken.

    Studentin im Iran

    Könnte Iran Militär gegen Protestierende einsetzen?

    So stellte das Regime seinen Gegnern nun ein Ultimatum. "Genug mit diesen Bosheiten. Heute ist der letzte Tag der Proteste. Wagt es nicht mehr, auf die Straße zu gehen", drohte General Hussein Salami den Demonstranten und Demonstrantinnen am 29. Oktober. Der mächtige Chef der Revolutionsgarden spielte damit offen auf den Einsatz von Militärkräften gegen die Protestierenden an.
    Es wäre eine neue Qualität - und damit eine weitere Stufe der Eskalation zwischen zwei Konfliktparteien, die beide nicht bereit sind, auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Die Drohung aber zeigt keine Wirkung. Im Gegenteil. Am Donnerstag zogen Tausende durch die Straßen der Stadt Karadsch und forderten wieder und wieder den Sturz des Mullah-Regimes. Er habe blanke Wut und Hass in den Augen vieler gesehen, meinte ein Teilnehmer des Protestmarsches. Da sei kein Platz mehr für Angst.
    ZDF-Korrespondent Jörg Brase
    "Die Zahl derer, die das Regime ablehnen" sei größer als das, was auf den Straßen zu sehen sei, so ZDF-Korrespondent Jörg Brase. Neben Studierenden protestiere "auch der iranische Mittelstand verstärkt".04.11.2022 | 4:01 min

    Zunehmende Gewalt bei Protesten

    Anlass der Demonstration war das Ende der Trauerphase für Hadis Nadschafi. 40 Tage zuvor war die junge Frau in Karadsch von Sicherheitskräften erschossen worden. Mit der Zahl der Opfer wächst die Zahl derer, die als Märtyrer im Kampf gegen das Regime gelten, und deren Tod Anlass neuer wütender Proteste ist. Es entspinnt sich in diesen Tagen eine Spirale zunehmender Gewalt. Auf beiden Seiten. Jeden Tag gibt es neue Opfer.
    Im Osten des Landes wird ein Geistlicher erschossen, es sterben Mitglieder der paramilitärischen Basidsch-Einheiten, die dem Obersten Führer Ali Chamenei treu ergeben sind. Rund 50 Sicherheitskräfte haben bisher ihr Leben gelassen. Auf Seiten der Protestierenden sind es laut Menschenrechtlern bislang über 280. Doch ein Einlenken der Regierenden ist nicht zu beobachten.

    Iran: Verstöße gegen Kopftuchzwang nicht mehr geduldet

    Stattdessen kündigt der Sprecher der für die Umsetzung des islamischen Rechts zuständigen Behörde an, dass von nun an Verstöße gegen den Kopftuchzwang nicht mehr geduldet würden. Neben der Sittenpolizei sollen nun auch die Basidsch das ordnungsgemäße Tragen des Kopftuchs überwachen. Immer wieder hatte es in den vergangenen Wochen Diskussionen um mögliche Lockerungen der Kopftuchregeln gegeben.
    Es sollten Gesetzesinitiativen diskutiert werden, hieß es von politischen Beobachtern. Auch werde über die Einrichtung von Zonen in verschiedenen Stadtgebieten Teherans nachgedacht, in denen genehmigte Demonstrationen stattfinden könnten. All dies scheint Makulatur.
    Die meisten derer, die in diesen Tagen gegen das Regime auf die Straßen gehen, interessieren solche Diskussion sowieso nicht. "Reformen führen zu gar nichts," sagt uns die junge Demonstrantin in Teheran. "Sie spielen doch seit Jahren nur mit uns." Nein, sagt sie, die Mullahs müssten weg.

    Wenn es uns nicht gelingt, dass das Regime aufgibt, werden ich und meine ganze Familie nicht mehr sicher sein.

    Demonstrantin in Teheran

    Proteste im Land
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