Sittenpolizei aufgelöst? Iraner skeptisch

    Ankündigung von Staatsanwalt:Sittenpolizei aufgelöst? Iraner skeptisch

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    Im Iran ist laut Generalstaatsanwalt die Sittenpolizei aufgelöst worden. Die Iranerinnen selbst gäben jedoch nicht viel auf diese Ankündigung, so ZDF-Korrespondent Brase.

    Im Iran ist nach Angaben des Generalstaatsanwalts die Sittenpolizei aufgelöst worden, die bislang hauptsächlich für die Einhaltung der Kleidungsvorschriften von Frauen zuständig war. "Die Sittenpolizei wurde aufgelöst, aber die Justizbehörde wird sich weiterhin mit dieser gesellschaftlichen Herausforderung auseinandersetzen", zitierte die Tageszeitung "Shargh" den Generalstaatsanwalt Mohammed-Dschafar Montaseri am Sonntag.
    Laut ZDF-Korrespondent Jörg Brase muss man nun abwarten, "ob diese Moralwächter jetzt wirklich aus dem Straßenbild verschwinden und ob irgendeine andere Behörde jetzt die Durchsetzung der islamischen Kleidervorschriften kontrollieren und sanktionieren wird".

    ZDF-Korrespondent: Iraner geben nicht viel auf Ankündigung

    Die Nachrichtenagentur Insa zitiert Mohammed-Dschafar Montaseri, den Generalstaatsanwalt im Iran: "Die Sittenpolizei hat nichts mit der Justiz zu tun und wurde von denjenigen, die sie in der Vergangenheit eingerichtet haben, geschlossen." Weitere Details zu den Umständen und der Umsetzung der Auflösung gab es nicht. Die Bekanntgabe wird als Geste gegenüber den Demonstrierenden gewertet, die seit Wochen überall im Land auf die Straße gehen.
    Die Iranerinnen selbst gäben auf diese Ankündigung jedoch nicht viel, so Brase. Viele seien überzeugt davon, dass es mit den Restriktionen und Kontrollen weiterginge: "Sie sagen, sie haben ganz andere, viel mehr Probleme." Mit der Ankündigung wolle man "der Protestbewegung den Wind aus den Segeln nehmen", berichteten Demonstrantinnen.

    Regimewechsel im Iran als Ziel

    Viele Iraner rechneten auch bei einer Auflösung der Sittenpolizei nicht damit, "dass die Kontrollen und die Strafen wirklich enden würden" und zeigten sich daher "unbeeindruckt", so Brase. Das Kopftuch und auch die Sittenpolizei seien eigentlich nur "zwei Probleme von vielen", mit denen sie zu kämpfen hätten. Für morgen hätten einige Oppositionsgruppen zu "dreitägigen landesweiten Protesten und Streiks" aufgerufen.

    [Den Iranerinnen] geht es vor allem weiterhin um einen Regimewechsel in der Islamischen Republik.

    Jörg Brase, ZDF-Korrespondent

    Golineh Atai
    Golineh Atai, Leiterin des ZDF-Studios in Kairo, erklärt wie die Proteste im Iran eine "Bindekraft" über Generationen, Ethnien und Schichten hinweg entwickelt haben.02.12.2022 | 1:09 min

    Medienberichte: Raisi zu Krisengipfel im Parlament

    Präsident Ebrahim Raisi traf sich Medienberichten zufolge am Sonntag zudem mit mehreren Ministern zu einem Krisengipfel. Auf der Agenda des nicht-öffentlichen Treffens im Parlament in Teheran stünden die jüngsten Entwicklungen im Land, berichtete die Agentur Isna.
    In einem ungewöhnlichen Schritt hat der Iran die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses angekündigt, der die Gründe für die seit mehr als zwei Monaten andauernden Proteste im Land klären soll. Allerdings sollen weder Demonstranten oder Systemkritiker noch andere politische Parteien daran teilnehmen, erklärte Innenminister Ahmad Wahidi laut Nachrichtenagentur Ilna am Sonntag.

    Proteste im Iran seit zwei Monaten

    Die sogenannte Sittenpolizei war der Auslöser der seit über zwei Monaten andauernden systemkritischen Aufstände in dem Land. Mitte September verhafteten Sittenwächter die 22-jährige Mahsa Amini wegen eines angeblich falsch getragenen Kopftuchs - wenige Tage später starb sie im Gewahrsam der Sittenpolizei. Seitdem protestieren im Iran Menschen gegen das islamische System und dessen Gesetze und Vorschriften.
    Seit dem Ausbruch der Proteste im Iran werden der Kopftuchzwang und die islamischen Kleidervorschriften von vielen Frauen, besonders in Großstädten, zunehmend ignoriert. Seit Beginn der Demonstrationen wurden nach Einschätzung von Menschenrechtlern rund 470 Demonstranten getötet, darunter 64 Kinder und 60 Sicherheitskräfte. Die offiziellen Angaben diesbezüglich sind widersprüchlich.

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    :Iran

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    Demonstranten blockieren bei Protesten in Teeran die Straßen.
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