Irans Oberster Gerichtshof hat Todesurteile gegen drei Aktivisten bestätigt, die letztes Jahr an Protesten beteiligt waren. Amnesty International kritisiert den Prozess als Farce.
Im November 2019 demonstrierten im Iran Hunderttausende Menschen gegen steigende Benzinpreise. Die Proteste wurden von der Regierung blutig niedergeschlagen. Mehr als 300 Menschen wurden laut Menschenrechtsorganisationen innerhalb weniger Tage getötet. Das genaue Ausmaß staatlicher Repression kann aber wegen der umfangreichen Überwachungsmaßnahmen noch immer nur geschätzt werden.
Am Dienstag hat der Oberste Gerichtshof des Iran Todesurteile gegen drei beteiligte Aktivisten bestätigt. Amir Hossein Moradi, Mohammad Rajabi und Saeed Tamjidi können damit ab jetzt jederzeit hingerichtet werden.
Was wird den Aktivisten vorgeworfen?
Die drei Beschuldigten wurden wegen ihrer Teilnahme an Protesten im vergangenen Jahr verurteilt. Verurteilt wurden sie wegen "Feindschaft gegen Gott" (Muharaba), einem Straftatbestand, der seit der Islamischen Revolution 1979 häufig gegen Oppositionelle angewandt wird.
Sie sollen während der Proteste Brandstiftung betrieben haben. Sichergestellte Videos auf ihren Handys belegten das, so ein Sprecher des Obersten Gerichtshofs. Ein staatlicher Fernsehsender strahlte ein Geständnisvideo von Moradi aus, in dem er sich selbst als ein Anführer der Proteste bezeichnete.
Die iranische Führung sieht in den Demonstranten vom Ausland, den USA und Israel, bezahlte Söldner, die auf einen Umsturz hingearbeitet hätten. Diese unbelegten Vorwürfe reihen sich ein in seit Jahrzehnten etablierte Propaganda der iranischen Führung, die jede Opposition als ausländischer Verschwörung darstellt.
Moradi wird so zur Last gelegt, während eines mehrjährigen Aufenthaltes in Deutschland angeblich Kontakte zu iranischen Oppositionsnetzwerken in Deutschland unterhalten zu haben.
Wie kamen die Urteile zustande?
Vanessa Ullrich, Iran-Expertin der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, bezeichnet den Prozess gegen die drei Aktivisten als "Farce". "Moradi sagt, er sei mit Folter zu seinem Geständnis gezwungen worden. Die Rechtsbeistände der drei Aktivisten hatten den ganzen Prozess hindurch kaum Zugriff auf wichtige Dokumente oder Zugang zu ihren Mandanten", betont Ullrich.
Auch die iranischen Rechtsbeistände kritisieren das Verfahren und fordern einen neuen Prozess: "Es gibt schwerwiegende formale und inhaltliche Einwände, die wir während eines erneuten Verfahrens erläutern und erklären werden", schrieb der Menschenrechtsanwalt Hosein Taj auf Twitter.
Sein Kollege Mostafa Nili retweetete in Reaktion auf die Bestätigung der Todesurteile eine persische Übersetzung des bekannten "Habe ich geschwiegen"-Gedichts des NS-Widerstandskämpfers Martin Niemöller.
Da die Urteile vom Obersten Gerichtshof bestätigt wurden, seien sie nun rechtskräftig, sagt Ullrich. Lediglich eine Begnadigung durch den Revolutionsführer Ali Khamenei könne die Vollstreckung noch abwenden. "Mir sind jedoch keine Fälle bekannt, bei denen es dazu kam", so die Amnesty-Vertreterin.
Wie viele Hinrichtungen gibt es in Iran insgesamt?
Eine Amnesty-Studie hat dokumentiert, dass Iran für 38 Prozent der nachvollziehbaren weltweiten Hinrichtungen verantwortlich ist. Nach China führt die Islamische Republik die meisten Hinrichtungen weltweit durch – mindestens 251 allein im vergangenen Jahr. Der Iran sei auch eines der wenigen Länder, in denen Minderjährige hingerichtet werden, sagt Expertin Ullrich.
Verhängt werde die Todesstrafe bei einer ganzen Reihe von Vergehen: Mord, Vergewaltigung, Drogenhandel, oder wie nun wegen "Feindschaft gegen Gott", erklärt Ullrich. Amnesty International kritisiert, dass wie auch jetzt rechtsstaatliche Prinzipien bei Gerichtsverfahren in Iran häufig missachtet werden.
Sollen die drakonischen Strafen neue Proteste verhindern?
"Von den Todesurteilen geht ein politisches Signal aus", sagt Ullrich.
Noch immer sind Hunderte Aktivisten der zurückliegenden Demonstrationen in Haft. Die Menschenrechtlerin fürchtet darum, dass es zu weiteren Todesurteilen kommen könnte:
Welche Reaktionen gibt es auf die geplanten Hinrichtungen?
Viele Aktivisten gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie die Menschenrechtslage in Iran offen ansprechen. In den sozialen Medien wurde die Bestätigung der Urteile unter dem persischen Hashtag "Nein zur Hinrichtung" lautstark kritisiert.
Am Mittwochnachmittag griff auch US-Präsident Donald Trump den Hashtag auf und forderte Iran auf, die Hinrichtungen nicht durchzuführen.
Die deutsche Menschenrechtsbeauftrage Bärbel Kofler hatte die Prozesse zuletzt in einer Mitteilung von Ende Februar verurteilt. In der Vergangenheit drehten sich politische Gespräche mit dem Iran häufiger um Fragen des Atomprogramms als um Menschenrechte.