In Israel hat sich ein neues Regierungsbündnis gefunden. Das will ohne Ministerpräsident Netanjahu eine neue Koalition bilden. Doch das Bündnis ist zerbrechlich.
In Israel hat sich unter unter Ausschluss des langjährigen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ein neues Regierungsbündnis gefunden. Wenige Tage vor Ablauf der Frist für Oppositionsführer Jair Lapid zur Regierungsbildung haben sich die Gegner Netanjahus am Sonntag in letzten Verhandlungen über eine Zusammenarbeit geeinigt.
So hat der liberale Lapid dem nationalistischen Hardliner Naftali Bennett von der Jamina-Partei eine Partnerschaft mit rotierenden Ministerpräsidenten unter Einschluss mehrerer Parteien angeboten. In diesem von der israelischen Presse als Block für den Wandel bezeichneten Bündnis soll der 49-jährige Bennett in einem Wechselmodell zunächst den Posten des Regierungschefs übernehmen. "Das wäre das Ende der Ära Netanjahu", sagte Yohanan Plesner, Präsident des "The Israel Democracy Institute" vor der Entscheidung dem ZDF.
"Ich werde alles tun, um eine Regierung der nationalen Einheit mit meinem Freund Jair Lapid zu bilden", sagte Benett. Es sei deutlich geworden, dass die Bildung einer rechten Regierung gegenwärtig unmöglich sei. Die einzigen Optionen seien eine fünfte Wahl oder eine Einheitsregierung mit Lapid.
Netanjahu will "linksgerichtete" Allianz verhindern
Der zunehmend isolierte Netanjahu, der wegen Korruption vor Gericht steht, hatte Ex-Verteidigungsminister Bennett und den ehemaligen Likud-Politiker Gideon Saar am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter noch aufgefordert, "sofort" in Gespräche mit ihm über ein Dreier-Wechselmodell an der Regierungsspitze einzutreten. Ansonsten drohe Israel eine gefährliche "linksgerichtete" Allianz.
Saar von der Partei Neue Hoffnung konterte die Aufforderung seines ehemaligen Parteifreundes bei Twitter mit den Worten: "Unsere Haltung und unser Engagement war und ist: die Ablösung der Netanjahu-Regierung". Der mittlerweile 71-jährige Netanjahu kam 1996 erstmals für drei Jahre an die Macht, seit 2009 ist er durchgängig Ministerpräsident.
Neue Koalition muss sich erst beweisen
Lapids sogenanntem Bündnis für den Wandel gehört auch die Liste Blau-Weiß von Netanjahus einstigem Regierungspartner Benny Gantz an. Hinzu kommen die laizistisch-nationalistische Partei Israel Beitenu (Unser Haus Israel) von Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman sowie die Arbeitspartei und die linksgerichtete Meretz-Partei.
"Die neue Koalition wird sehr zerbrechlich sein und vom Willen und den Fähigkeiten von sieben oder acht Parteichefs abhängen", schätzt Plesner vom "The Israel Democracy Institute" gegenüber dem ZDF ein. Es werde einige Monate dauern, um zu sehen, ob die Koalition doch auseinanderbreche und das Land in der Krise stecken bleibe.
Arabische Abgeordnete könnten Unterschied machen
Lapid hat mehrere kleine Parteien hinter sich versammelt, die im politischen Spektrum weit auseinander liegen. "Diese Koalition ist sehr unwahrscheinlich, in dem Sinn, dass die Koalitionspartner aus dem gesamten politischen Spektrum stammen", erklärt Plesner. "Aber sie ist eben auch das Ergebnis einer großen Krise, und nun müssen alle Beteiligten Zugeständnisse machen, damit das Land wieder voran kommen kann."
Es würde sich bei der Koalition zudem um eine Minderheitsregierung handeln, die von arabischen Abgeordneten geduldet wird. Die stehen dem 57-jährigen ehemaligen TV-Journalisten Lapid positiv gegenüber, nicht aber einem möglichen Ministerpräsidenten Bennett. "Er wird keine radikalen Maßnahmen verfolgen oder extreme Entscheidungen fällen können", prophezeit Plesner.
Plesner: Netanjahu wird sich an Macht klammern
Dass die neue Regierungsbildung nun ein Selbstläufer ist, erwartet Plesner vom "The Israel Democracy Institute" aber nicht. "Bis die neue Regierung tatsächlich vereidigt ist, kann immer noch viel passieren" sagt er. "Netanjahu wird alles daransetzen, noch Keile zwischen die neuen Partner zu treiben."