Es ist die vierte Wahl in nur zwei Jahren. Beim Kampf um die Macht in Israel geht es vor allem um Premierminister Benjamin Netanjahu - diesmal könnte es eng werden.
"Von Königen, Königsmördern und Königsmachern" - so könnte diese Geschichte genauso gut heißen - auch wenn es so blutrünstig in der Politik in Israel natürlich nicht zugeht. Statt wie ein Shakepearsches Drama mutet der Kampf um die Macht nicht wenigen Israelis an wie ein albernes Theaterstück um Macht und Eitelkeiten. Die vierte Wahl in nur zwei Jahren - wer soll das noch ernst nehmen?
Netanjahus Stuhl wackelt
Dass es soweit gekommen ist, hat vor allem mit ihm zu tun: Benjamin Netanjahu, der ungekrönte König. Seit Jahrzehnten bestimmt er maßgeblich die Politik des Landes, seit 2009 als Premierminister. Zuletzt scheint er sich nur noch an seinen Thron als Regierungschef zu klammern, geschwächt durch einen Korruptionsprozess, verlassen von - fast - allen Weggefährten. Die hat er mit Tricks und Ränkespielen vom Hof gejagt. Und so geht es bei dieser Wahl nicht um Mitte, Links oder Rechts, sondern nur um: für oder gegen den König.
Nun wäre es töricht, Netanjahu jegliche Erfolge abzusprechen. Er hat viel dazu beigetragen, aus Israel die wirtschaftsstarke Start-up-Nation zu machen, die sie heute ist. Nicht umsonst stellt seine Likud-Partei in Umfragen die mit Abstand stärkste Partei. Doch seine Erfolge sind stets zweifelhafte Erfolge. So reklamiert er den weltmeisterlichen Impferfolg Israels allein für sich.
Vision für Frieden mit Palästinensern fehlt
Dabei sind auch andere Akteure ausschlaggebend. Er selbst hat den Erfolg sogar gefährdet, weil er sich aus Rücksicht auf seine religiösen Koalitionspartner geweigert hat, die massiven Regelverstöße von Ultra-Orthodoxen gegen die Corona-Regeln zu ahnden. Und seine jüngsten Friedensabkommen mit arabischen Staaten verdecken, dass ihm die Vision für einen gerechten Frieden mit den Palästinensern fehlt, nachdem seine ebenso aberwitzigen wie unrealistischen Annexionspläne von Palästinensergebieten vom Tisch sind.
Trotzdem giftet er: "Wir werden noch vier Friedensabkommen machen, und die Frage ist, wer wird sie machen? Ich oder Yair Lapid? Noch zehn Millionen Impfdosen fehlen und die Frage ist, wer importiert sie: ich oder "Yair-Fünf-Impfungen-Lapid?"
Yair Lapid steht für ein säkulares Israel
Yair Lapid, das ist offenbar der potentielle Königsmörder. Seine Partei "Yesh Atid"- "Es gibt eine Zukunft". Die steht Mitte-Links und für ein säkulares Israel. In Umfragen liegt sie mit klarem Abstand auf Platz zwei hinter Likud. Lapid war mal Finanzminister unter Netanjahu, heute nennt er dessen Kabinett "eine extremistische, homophobe, chauvinistische, rassistische und antidemokratische Regierung." Lapid ist da nicht allein, vergraulte Weggefährten sind auch die meisten anderen Parteiführer.
Potentielle Koalitionspartner stehen rechts
Zusammen mit ihnen könnte Lapid theoretisch eine breite "Alles-außer-Netanjahu-Koalition" bilden. Doch "Rechts" unter Naftali Bennet, "Neue Hoffnung" von Gideon Saar und Avigdor Liebermanns "Unser Zuhause Israel" stehen im politischen Spektrum eher Rechts bis Rechtsaußen.
Unterstützung gibt es dort eher für neue Siedlungen in der Westbank als für eine Zwei-Staaten-Lösung. Politisch gesehen wären die Rechten natürliche Verbündete des Likud, wenn da nicht die Feindschaft zu Netanjahu wäre. Kaum vorstellbar, wie so eine Koalition von Mitte-Links bis Mitte-Rechts funktionieren soll.
Keine Mehrheiten erkennbar
Zum Königsmacher könnte Naftali Bennet mit seiner "Yamina" Rechtspartei werden. Er hat sich als einziger ein Hintertürchen für eine Koalition mit Likud offengelassen. Das reicht nach den aktuellen Umfragen zwar noch nicht, es sei denn ein weiterer Königsmacher erschiene auf der Bühne.
Und tatsächlich liebäugelt ein weiterer Akteur mit dieser Rolle: Mansour Abbas mit "Ra ´am". Er will der Minderheit der arabischen Israelis endlich Stimme und Gewicht in einer Regierung geben. Und hat zuletzt deutliche Sympathie für Netanjahus Politik erkennen lassen, obwohl der die arabische Minderheit oft herabgewürdigt hat, von der Palästinafrage ganz zu schweigen.
Und so sind am Tag dieser Wahl weder Mehrheiten noch ein neuer König auf der Bühne zu erkennen. Alle Fragen unbeantwortet. Doch der Vorhang offen.
Michael Bewerunge leitet das ZDF-Studio in Tel Aviv.