Zum Schutz vor Terroranschlägen hat die israelische Regierung vor 20 Jahren mit dem Bau einer Sperranlage begonnen. Die einen fühlen sich damit sicherer - andere eingeschränkt.
Inmitten von Paprikas, Avocados und Orangen steht Qutteiba Abu-Eladel auf seinem Feld. Der 32-Jährige lebt in Qalqilya, einer Stadt im Westjordanland - ungefähr eine Autostunde entfernt von der israelischen Metropole Tel Aviv. In seiner linken Hand hält Qutteiba eine Orange, mit der rechten zeigt er auf den Stamm des dazugehörigen Baumes: "Vierzig Jahre ist der alt. Der stand hier schon lange vor der Mauer", erzählt er stolz.
Die Mauer, von der er spricht, ist im Hintergrund nicht zu übersehen. Keine hundert Meter vom Baum entfernt, ragen acht Meter massiver Beton in den blauen Himmel. Vor zwanzig Jahren – im Sommer 2002 – hat die israelische Regierung mit dem Bau dieser Sperranlage begonnen. Seitdem trennt sie das israelische Staatsgebiet und einige Siedlungen vom Großteil des besetzten Westjordanlands.
Keine Überquerung ohne Genehmigung
Eine Mauer, wie sie hier zu sehen ist, gibt es allerdings nur in einigen Städten. Der Großteil der Sperranlage besteht aus einem Grenzstreifen, der mit Stacheldrahtzaun gesichert ist. Seit dem Bau der Anlage ist Qutteiba in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt:
Ohne Genehmigung der israelischen Behörden, können Palästinenser wie er die Anlage nicht überqueren. Qutteiba hat eine solche Genehmigung, weil er gelegentlich seine Felder auf der anderen Seite der Mauer bearbeitet. Allerdings kann er nur zu Fuß über die Grenze und darf sich hinter der Mauer lediglich in bestimmten Bereichen aufhalten.
Die ständige Angst vor Attentaten
Aus Sicht der israelischen Regierung soll die Anlage aber nicht dafür da sein, Palästinenser einzusperren. Für sie hat die Grenzsicherung nur einen Zweck: Schutz vor Terror durch Palästinenser. Denn kurz nach der Jahrtausendwende verübten immer wieder Palästinenser Attentate in israelischen Städten. Allein 2001, im Jahr vor dem Baustart, starben laut israelischem Außenministerium über 200 Menschen durch palästinensische Terroranschläge.
Bei der 75-Jährigen Mazal sorgt das wie bei vielen Israelis noch immer für Angst. Seit sie fünf Jahre alt ist, lebt sie in Kfar Saba auf der israelischen Seite der Sperranlage, direkt gegenüber vom palästinensischen Qalqilya. Zwischen 2001 und 2003 verübten fünf Selbstmordattentäter hier Anschläge: "Wegen der Attentate bin ich nicht mehr mit dem Bus gefahren. Ich hatte sogar Angst, dass in den Mülleimern Bomben versteckt sind", erzählt Mazal.
Anwohnerin: "Ich wünsche mir Frieden"
Auch wenn sie die Sorgen der Palästinenser nachvollziehen kann, hält sie die Sperranlage für richtig: "Ich wünsche mir Frieden. Aber sie müssen verstehen, dass man mit Gewalt nichts erreichen kann. Und solange wir ihnen nicht vertrauen können, muss man Maßnahmen ergreifen."
Laut der israelischen Regierung ist die Anzahl der Terroranschläge seit dem Bau stark zurückgegangen. Für sie ist das ein klares Indiz, dass die Sperranlage wirkt. Qutteiba glaubt allerdings nicht, dass die Anlage der Grund für den Rückgang ist. Auch heute gebe es noch genügend Wege, um unbemerkt über die Grenze zu kommen: "Wer was tun will, kommt auch so rüber – mit Bestechungen, durch Löcher im Zaun oder durch die Kanalisation."
Zehn Prozent des Westjordanlands abgeschnitten
Auch der Internationale Gerichtshof hat die Sperranlage bereits kritisiert. In einem Urteil von 2004 erklärte er die Mauer für völkerrechtswidrig. Maßgeblich für die Entscheidung war allerdings nicht der Bau generell, sondern der Verlauf der Sperranlage. Denn einige große israelische Siedlungen im Westjordanland wurden auf der israelischen Seite der Mauer einsortiert.
Knapp zehn Prozent des Westjordanlands sind so vom restlichen Gebiet abgeschnitten. Der Gerichtshof verlangte deshalb in seinem Urteil, dass Israel die Mauer abreißt und betroffene Palästinenser entschädigt. Dem Urteil ist die Regierung allerdings nicht gefolgt. Und da eine Lösung des Nahost-Konfliktes nicht in Sicht ist, wird die umstrittene Sperranlage bleiben.
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