Parlamentswahl in Israel:Netanjahus Likud vorne: Ist Bibi wieder da?
02.11.2022 | 12:53
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Die Partei von Ex-Premier Netanjahu geht nach ersten Auszählungen als stärkste Kraft aus der Parlamentswahl in Israel hervor. Sein rechts-religiöses Lager hat eine Mehrheit.
Die rechtskonservative Likud-Partei des Oppositionsführers Benjamin Netanjahu ist laut Prognosen bei der Parlamentswahl in Israel stärkste Kraft geworden. Nach Auszählung von gut 84 Prozent der Stimmen wird die Likud-Partei von Oppositionsführer und Ex-Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit 31 von 120 Sitzen stärkste Kraft, wie örtliche Medien berichten. Insgesamt kommt das Pro-Netanjahu-Lager demnach auf 65 der 120 Sitze.
Rechtsextremes Bündnis gilt als Königsmacher
Bis zum Abend zeichnete sich bei der Wahl eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung ab. Nach Angaben des Zentralen Wahlkomitees lag die Beteiligung der 6,8 Millionen Wahlberechtigten bis 21.00 Uhr (MEZ) bei 71,3 Prozent - die höchste Wahlbeteiligung seit 2015. Das sind fast vier Prozentpunkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt bei der letzten Wahl im März vergangenen Jahres.
Drittstärkste Kraft nach Jesch Atid (24 Mandate) von Regierungschef Jair Lapid wird nach Auszählung von rund 84 Prozent der Stimmen erstmals ein rechtsradikales Bündnis. Auf die Union aus Otzma Jehudit, Religiösen Zionisten und der homophoben Noam entfallen gegenwärtig 14 Sitze.
Nach gegenwärtigem Auszählungsstand scheiterten sowohl die linke Meretz-Partei (3,2 Prozent) als auch die nationalistisch-arabische Balad-Partei (3,05 Prozent) an der Prozenthürde von 3,25 Prozent. Vorläufige Endergebnisse erwartete das Wahlkomitee nicht vor Donnerstag. Frühere Wahlen haben gezeigt, dass sich das Bild bis zur Auszählung aller Stimmen noch verschieben kann.
Netanjahu: "Einem großen Sieg nahe"
Der israelische Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu zeigte sich nach den Parlamentswahlen siegessicher. Er sei "einem großen Sieg nahe" und werde eine rechte Regierung anführen, sofern die Ergebnisse die Nachwahlbefragungen bestätigten, sagte Netanjahu vor Anhängern seiner Likud-Partei in Jerusalem.
Der amtierende Regierungschef Jair Lapid äußerte sich hingegen abwartend. Es sei "nichts entschieden", seine Partei werde "geduldig auf die Endergebnisse warten", sagte Lapid auf einer Kundgebung seiner Mitte-Partei Jesch Atid in Tel Aviv.
ZDF-Korrespondent: Israel möglicherweise vor dramatischem Rechtsruck
Wenn das Ergebnis aber so ausfalle, wie die Prognosen nahelegen, "dann sehen wir einen dramatischen Rechtsruck in Israel", berichtet ZDF-Korrespondent Michael Bewerunge. "Benjamin Netanjahu reagiert dann mit den beiden Ultras - ultraothodoxe und ultranationalistische Zionisten, vor allem letztere bekennen sich ganz offen zu rechtsextremen und rassistischen Positionen."
Diese wollten "Hand anlegen an den Rechtsstaat" und beispielsweise Betrug und Untreue im Amt streichen. "Genau deswegen steht Netanjahu vor Gericht, das käme einer Amnestie gleich", sagt Bewerunge. Netanjahu habe "Extremisten und Rassisten im Land hoffähig gemacht". Es werde befürchtet, dass Netanjahu diese nicht steuern werde, "sondern dass Extremisten das Ruder übernehmen werden".
Wenn das amtliche Endergebnis feststeht, bestimmt Präsident Izchak Herzog, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Der Kandidat hat dann vier Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Wie nach der Wahl im letzten Jahr könnte es aber Wochen oder Monate dauern, bis eine Regierung steht. Netanjahu hatte damals zuerst den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten, konnte aber keine Koalition schmieden.
Palästinensischer Ministerpräsident nicht verwundert über Wahlausgang
Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtaje hat den Rechtsruck bei der israelischen Wahl als "natürliches Resultat des jahrelangen Anstiegs von Extremismus und Rassismus in der israelischen Gesellschaft" bezeichnet.
Wir hatten keine Illusionen, dass die israelische Wahl einen Friedenspartner hervorbringen würde.
Mohammed Schtaje, palästinensischer Ministerpräsident
Koalition im Juni zerbrochen
Das Neun-Millionen-Einwohner-Land am Mittelmeer befindet sich seit Jahren in einer Dauerkrise. Die vergangenen Wahlen hatten oft zu unklaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Die aktuelle Acht-Parteien-Koalition unter Ministerpräsident Naftali Bennett war im Juni zerbrochen, nachdem sie nach nur zwölf Monaten ihre Mehrheit verloren hatte. Im Anschluss übernahm Außenminister Jair Lapid den Posten des Regierungschefs.
Quelle: dpa, AFP, AP, KNA
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