Knesset-Wahl: Israel vor weiterem Rechtsruck

    Knesset-Wahl:Israel vor weiterem Rechtsruck

    Michael Bewerunge
    von Michael Bewerunge
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    In Israel wird eine neue Knesset gewählt. Noch bevor die Wahlurnen ausgezählt sind, steht ein Gewinner bereits fest: Benjamin "Bibi" Netanjahu.

    Gewinner zunächst einmal deshalb, weil er schlicht noch da ist. Alle Skandale, alle Prozesse, bei denen er sich vor Gericht verantworten muss und auch nicht seine Ablösung als Ministerpräsident vor einem Jahr haben zu seinem politischen Ende geführt.
    "King Bibi" hat auch als Oppositionsführer alle potentiellen Königsmörder seiner Likud-Partei weggebissen und steht nun möglicherweise vor einem Comeback.

    Fünfte Wahl Israels in nur 4 Jahren

    Die Gelegenheit dazu - die fünfte Wahl Israels in nur 4 Jahren - hat er selbst mit einem konsequenten Verweigerungskurs der Opposition herbeigeführt.
    Dem Parteienbündnis um Noch-Ministerpräsident Jair Lapid, das fast ausschließlich von der Gegnerschaft zu Netanjahu zusammengehalten wurde, fehlte am Ende die Kraft, die eigene Agenda "Versöhnen statt Spalten" in die Tat umzusetzen. Zu groß waren die Gegensätze der Koalitionspartner von ganz links bis weit rechts.

    Netanjahus Machtkalkül

    Mit kalten Machtkalkül hat Netanjahu den Gegenentwurf aufgebaut: Ein Bündnis des nationalkonservativen Likud mit den Parteien der Ultra-Orthodoxen und den rechtsextremen Ultras der Nationalistischen Zionisten.
    Er hat kein Problem, mit Rabbis zu koalieren, die behaupten, Fächer wie Englisch und Mathematik sollten nicht in den Thora-Schulen der Ultra-Orthodoxen gelehrt werden, weil sie nutzlos für Israels Wirtschaft seien. Und verspricht, mit ihm werde es keinen Druck auf die Schulen geben, solche Fächer einzuführen.

    Gwir könnte Innen- oder Sicherheitsminister werden

    Und unter Netanjahus Anleitung fusionierten die Parteien der nationalistischen Scharfmacher Itamar Ben Gwir und Bezalel Smotritch, um größere Chancen bei einer gemeinsamen Regierungsbildung zu haben. Itamar Ben Gwir ist für seine rassistischen Ausfälle gegenüber Arabern und Palästinensern bekannt und wurde dafür schon vor Gericht verurteilt.
    Er gilt als Anhänger der terroristischen Kahane-Bewegung. Bei einem provokativen Auftritt in Ost-Jerusalem scheute er unlängst nicht davor zurück, eine Pistole zu ziehen und die umstehenden Polizisten aufzufordern, die gegen ihn demonstrierenden Palästinenser niederzuschießen. Ein solcher Mann könnte Innen- oder Sicherheitsminister werden.
    Politisch wollen die Ultranationalistischen Zionisten die Axt an den demokratischen Rechtsstaat legen, indem sie den Einfluss der Gerichte einschränken. Korruption und Untreue im Amt sollen kein Straftatbestand mehr sein, was einer Amnestie für Netanjahu gleichkäme, der genau wegen dieser Tatbestände vor Gericht steht.

    Bibi-Block fehlt eine Stimme

    Nach jüngsten Umfragen kommt der Bibi-Block auf 60 der 120 Knesset Mandate, nur eine Stimme fehlt zur Mehrheit. Von der sind Jair Lapid und seine ehemaligen Koalitionspartner weit entfernt. Zwar hat Lapids Yesh Atid Zukunftspartei in den letzten Wochen zugelegt, aber auf Kosten der anderen Kräfte im Anti-Netanjahu-Lager. Manche Parteien könnten an der 3,25-Prozent-Hürde scheitern.
    So auch die Vereinigte Liste von Mansour Abbas, mit der sich erstmals eine Partei der arabischen Israelis an der Regierung beteiligte. Gedankt haben es ihr weder arabische noch jüdische Israelis. Und die zweite arabische Partei, die Vereinigte Liste, lehnt jede Zusammenarbeit mit einer jüdisch-israelischen Regierung ab.

    Wieder eine Pattsituation?

    So droht schon wieder eine Pattsituation, obwohl Politiker aller Couleur schwören, genau das vermeiden zu wollen. Falls aber Netanjahu mit seinen extremistischen Koalitionspartnern eine knappe Mehrheit gewinnen sollte, wird dies auch außenpolitische Konsequenzen haben.
    Die Europäische Union und Deutschland werden sich neu gegenüber einer israelischen Regierung positionieren müssen, in der einzelne Mitglieder nicht nur den Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten, sondern die Vertreibung und weitere Entrechtung der Palästinenser in Israel und im Westjordanland fordern.