Italiens Außenminister Di Maio ist aus der Fünf-Sterne-Bewegung ausgetreten und hat eine neue Fraktion gegründet. Grund: Streit mit Partechef Conte über die Ukraine-Politik.
Der Streit entzündete sich zuletzt und vordergründig an Waffenlieferungen für die Ukraine. Teile der Fünf-Sterne-Bewegung führten pazifistische Gründe ins Feld, um die Lieferung von Waffen abzulehnen und ihren eigenen Außenminister für seine Haltung aufs Übelste zu beschimpfen.
Uneinigkeit zu Waffenlieferungen
"Wir verlassen das, was morgen nicht mehr die erste politische Kraft im Parlament sein wird", begründete Luigi Di Maio seinen Austritt. Die Uneindeutigkeit seiner Partei hinsichtlich des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sei für ihn nicht länger hinzunehmen.
Zu langsam und zu wenig?
Di Maio hatte sich als Außenminister unter Ministerpräsident Mario Draghi zunehmend dessen pro-europäischen Positionen angeschlossen. Er unterstützt Draghis Linie zum Ukraine-Krieg, auch Waffenlieferungen an Kiew. Die Fünf-Sterne-Bewegung habe dagegen die Stabilität der Regierung riskiert, "nur um ein paar Prozentpunkte zurückzugewinnen, was ihr nicht einmal gelungen ist", so Di Maio.
Di Maio als Schlüsselfigur von "Fünf Sterne"
Mit dieser Haltung ist er offenbar nicht allein. Seiner neuen Partei "Gemeinsam für die Zukunft" schlossen sich bereits 60 Fünf-Sterne-Abgeordnete und elf Senatoren an.
Eine kleine Ära ging damit zu Ende, denn Di Maio war entscheidend am Aufstieg der einstigen Anti-Establishment-Bewegung beteiligt. Die populistische Partei ist seit der Parlamentswahl 2018 die größte im Parlament und an der Regierung beteiligt.
Interner Machtkampf endet mit Knall
Seit Monaten herrschen in der Anti-Parteien-Partei jedoch interne Spannungen. In jüngsten Umfragen verlor sie deutlich an Zustimmung. Di Maio, selbst einmal Chef der "Fünf Sterne", und sein Nachfolger, Italiens ehemaliger Premierminister Guiseppe Conte, sind sich in persönlicher Feindschaft verbunden.
Dieser interne Machtkampf hat nun ein vorläufiges Ende gefunden. Conte hat Di Maio verdrängt - Di Maio hat die Flucht nach vorn ergriffen.
- Krieg in der Ukraine
Russland unter Wladimir Putin führt einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es gibt Sanktionen gegen Moskau und Waffenlieferungen an Kiew. Aktuelle Nachrichte...
Partei im Umfrage-Niedergang
Wem das mehr nützt, wird sich bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr zeigen. Bisher jedenfalls hat es Conte trotz seiner persönlichen Beliebtheit nicht geschafft, den Niedergang der Partei zu stoppen: In den Umfragen stehen die "Cinque Stelle" bei nur noch etwa 13 Prozent, 20 Prozentpunkte weniger als beim Wahlergebnis vor vier Jahren.
Bei den jüngsten Gemeindewahlen brachen die Ergebnisse völlig ein. Möglicherweise hat Di Maio einen Anlass gesucht, um das "sinkende Schiff" zu verlassen und sein Heil in einer neuen Partei gesucht.
Schachzug wegen Parlamentswahlen?
Hintergründig gibt es eine weitere denkbare Motivation für Di Maios Entschluss. Bei den "Fünf Sternen" ist die Amtszeit von Mandatsträgern auf zwei Legislaturen begrenzt und das träfe am Ende der Legislatur auch Di Maio selbst.
Je näher die Parlamentswahlen im kommenden Jahr rücken, je aufgeregter wird sich das politische Rom zeigen. Das Fundament von Draghis "Koalition der nationalen Einheit" wird deutlich instabiler. Das wäre ja aber auch nichts Ungewöhnliches in Italien. Kurz vor dem bevorstehenden internationalen Gipfelmarathon von Europarat, G7 und NATO-Gipfel hat Italiens Außenminister jedenfalls für Klarheit gesorgt und seinem Premierminister den Rücken freigehalten.
Andreas Postel ist Leiter des ZDF-Studios in Rom.