Wahl in Italien: Italienerinnen sehen Meloni zwiespältig
Wahl in Italien:Italienerinnen sehen Meloni zwiespältig
22.09.2022 | 15:26
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Giorgia Meloni könnte bald erste Ministerpräsidentin in Rom sein. Statt Frauen-Power erwarten viele Italienerinnen Rückschritte, sollte die Rechtspopulistin an die Macht kommen.
Giorgia Meloni bei einer Wahlkampfveranstaltung in Genua.
Quelle: epa
Schon bald könnte Italien seine erste Ministerpräsidentin haben. Sollten sich die Umfragen bewahrheiten, so wird die Mitte-Rechts-Koalition den Sieg einfahren. Zu ihr gehört die rechtsnationale Partei Fratelli D'Italia (FDI) mit ihrer Vorsitzenden Giorgia Meloni, die dann mit der Regierungsbildung beauftragt werden könnte.
Schwung für die Frauenrechte in Italien?
Doch Schwung für die Frauenrechte erwarten sich die Italienerinnen nicht, im Gegenteil. Meloni als Ministerpräsidentin wäre zwar ein Bruch mit der Vergangenheit, weil eine Frau das höchste Regierungsamt innehätte, sagt die ehemalige kommunistische Aktivistin Licia Donati.
Aber es wäre ein Rückschritt in Richtung konservative Frauenkultur.
Licia Donati, Aktivistin
Mutterschaft und Familie räumt die 45-jährige Meloni Bedeutung ein, Frauenrechtlerinnen fürchten dabei aber um Freiheiten der Italienerinnen. Donati kämpfte in den 1960er-Jahren für die Legalisierung der Scheidung, die dann 1970 kam. Sie setzte sich dafür ein, dass vor Gericht Ehefrauen ebenso behandelt werden wie ihre Männer - in einem Land, wo noch bis 1981 mildernde Umstände möglich waren, wenn Männer Frauen ermordeten, um die "Familienehre" zu wahren.
Wurzeln von Melonis FDI reichten in Neofaschismus
Die Wurzeln von Melonis FDI, den "Brüdern Italiens", reichen zurück in den Neofaschismus. Den habe die italienische Rechte aber längst der Geschichte überantwortet, versichert Meloni. Bei der letzten Wahl 2018 kam ihre Partei auf nur vier Prozent der Stimmen, jetzt werden ihr an die 25 Prozent vorhergesagt. Umfragen zufolge sind in der Wählerschaft Melonis die Männer etwas in der Überzahl.
Meloni hat darauf verzichtet, gezielt um Frauenstimmen zu werben. Zugleich betont sie aber, dass es ein Sieg ihres Geschlechts wäre, sollte sie erste Ministerpräsidentin des Landes werden. Als Vorreiterin der Frauenrechte sehen Kritikerinnen und Kritiker Meloni hingegen keineswegs. "Sie wird sich geschickt anstellen - keine große Debatte, sondern einfach ein 'Wir wenden es nicht an' ", fürchtet etwa Senatorin Emma Bonino mit Blick auf das aktuelle Abtreibungsrecht.
Quelle: reuters
Meloni könnte die erste Frau im italienischen Ministerpräsidentenamt werden. In Umfragen liegt sie seit Wochen vorn. Sie war 2012 Mitgründerin der weit rechts stehenden Partei Fratelli d'Italia, die seit den Wahlen 2018 stark an Popularität gewonnen hat. Die 45-Jährige wäre eine der bislang jüngsten Personen im Ministerpräsidentenamt Italiens.
Gegen Meloni gibt es Vorwürfe, sie habe sich nicht eindeutig von der neofaschistischen Vergangenheit ihrer Partei distanziert. Meloni kritisiert, die Europäische Union sei zu bürokratisch. Sie sagt von sich, sie sei eine starke Unterstützerin der Nato. Und sie ist im Gegensatz zu anderen Politikern des rechten Lagers in Italien, wie Matteo Salvini und Berlusconi, dafür, dass die Ukraine militärische Hilfe gegen Russland bekommt.
Meloni tritt gegen Gruppen der Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transsexuellen ein, die sie als "Lobbys" bezeichnet. Sie gibt an, sie setze sich für eine "christliche Identität" Europas ein.
Quelle: AP
Letta hat Erfahrung als Ministerpräsident. Er hatte das Amt nach einer Wahl 2013 inne. Nach nur zehn Monaten musste er das Amt abgeben, als sein Parteikollege Matteo Renzi ihn verdrängte. Der 56-jährige Chef der Demokratischen Partei ist der Hauptrivale von Meloni bei den Wahlen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt wurde Letta Dozent an der renommierten Universität Sciences Po in Paris. Im März 2021 übernahm er wieder die Führung der Mitte-links-Partei der Demokraten.
Quelle: Laszlo Balogh/AP/dpa
Bevor die Partei von Meloni plötzlich immer mehr Unterstützer bekam, war die rechte Partei Lega von Salvini die einflussreichste Partei im rechten Spektrum in Italien. 2018 einigte sich der heute 49-jährige Salvini auf eine Regierung mit der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung.
Nach etwas mehr als einem Jahr verdrängte er den damaligen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte aus dem Amt, um selbst Ministerpräsident zu werden. Doch Conte machte Salvini einen Strich durch die Rechnung und ging einen Koalitionsdeal mit der Demokratischen Partei ein. Damit landete die Lega von Salvini in der Opposition.
Während seiner Zeit als Innenminister unter der ersten Regierung von Conte erregte Salvini mit seiner harten Linie gegen Migranten Aufsehen. Migranten, die von Schiffen humanitärer Hilfsorganisationen auf See gerettet wurden, mussten tage- oder wochenlang dort bleiben, weil Salvini sich weigerte, sie von Bord gehen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft auf Sizilien klagte Salvini wegen seiner Anti-Migranten-Politik an. In einem Fall wurde er für unschuldig befunden. Ein Prozess in Palermo läuft noch.
Quelle: Roberto Monaldo/LaPresse via ZUMA Press/dpa
Der fast 86-jährige Berlusconi bemüht sich bei den Wahlen um keine vierte Amtszeit als Ministerpräsident. Stattdessen will er einen Senatssitz gewinnen. Vor knapp zehn Jahren war Berlusconi wegen einer Verurteilung wegen Steuerbetrugs aus dem Senat geworfen worden. Berlusconi verspricht, er würde im Amt die zwei größeren Parteien im rechten Bündnis mäßigen. Er meint damit die Parteien von Meloni und Salvini. Berlusconi hat wie Salvini Bewunderung für den russischen Staatschef Wladimir Putin geäußert.
Quelle: Francisco Seco/AP Pool/dpa/Archivbild
Der frühere Ministerpräsident Conte war 2018 als politisch Unbekannter ins Amt gekommen. Die Regierung des heutigen Vorsitzenden der euroskeptischen Fünf-Sterne-Bewegung zerbrach etwa 15 Monate später, als Salvini versuchte, ihm das Ministerpräsidentenamt wegzunehmen.
Der 58-jährige Anwalt Conte, der auf Schlichtungsverfahren spezialisiert ist, führte einige der strengsten Lockdowns wegen des Coronavirus weltweit ein. Seine zweite Regierung zerbrach im Januar 2021 nach 16 Monaten, als die kleine Partei des früheren Ministerpräsident Renzi aus der Koalition ausschied. Quelle: AP
Meloni: Traditionelle Familien Fundament der Gesellschaft
Im Wahlkampf war Meloni gefragt worden, ob sie an dem Gesetz festhalten werde, dass Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen legalisiert - bei Gefahr für Leib und Leben der Mutter auch später. Sie hat erklärt, sie respektiere das Gesetz - wolle es aber so umgesetzt wissen, dass Frauen unterstützt werden, die sich für ihr Kind entscheiden.
Wer ist Giorgia Meloni - ein Porträt im Video:
"Traditionelle" Familien sind für Meloni, Mutter einer sechsjährigen Tochter, das Fundament der Gesellschaft. Die LGBTQ-Bewegung tut sie als Lobbys ab, spöttelt über das Konzept der Gender-Fluidität und steht hinter dem Verbot von Adoptionen durch Alleinstehende.
67 Regierungen in Italien - von keiner einzigen Frau geführt
In der italienischen Politik hatten es Frauen schon immer schwer. Von den sage und schreibe 67 Regierungen seit Gründung der Republik nach dem Zweiten Weltkrieg wurde keine von einer Frau angeführt - auch eine Staatspräsidentin gab es bislang noch nicht.
Trotz ausgetrockneter Flüsse, knappem Trinkwasser und extrem Unwetter: Im italienischen Wahlkampf vor der Parlamentswahl am Sonntag spielt Klimaschutz und der Klimawandel kaum eine Rolle. Auch nicht bei Meloni.