ZDF-Hauptstadtstudio-Leiter Theo Koll resümiert: 2021 war in weiten Teilen unser Murmeltierjahr. Ob die Ampel-Koalition im nächsten Jahr aus der Dauerschleife ausbrechen kann?
Es ist ein Film mit unwirklich Erbaulichem: Phil Connors, der Fernseh-Wettermann, wacht auf in einer zeitlichen Dauerschleife, er erlebt denselben Tag immer und immer wieder. Irgendwann - und hier beginnt die Moral von der Kino-Geschicht‘ - bessert er sich, ändert sein Verhalten und findet damit den Ausweg aus der Gefangenschaft des scheinbar Unentrinnbaren.
So weit die filmische Fiktion von Groundhogday ("Und täglich grüßt das Murmeltier") .
Die Corona-Dauerschleife
2021 – das war in weiten Teilen unser Murmeltierjahr. Wir stecken fest in einer pandemischen Dauerschleife. Die Viruswellen unterscheiden sich, unsere mangelhafte Vorbereitung und Reaktion aber scheint gleichbleibend.
Die Entspannung des Sommers ging einher mit zu geringen Anstrengungen beim Impfen. Impfzentren wurden geschlossen, der Impfdruck weiter reduziert, selbst im Herbst der nahenden fünften Welle meinte der GroKo-Gesundheitsminister die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" auslaufen lassen zu können.
Und trotz vehementer Kritik daran sollte es genauso kommen, dann aber als allererste Ampelpolitik – eine Entscheidung, bei der Wunsch über Wirklichkeit siegte. Schon zweimal musste seitdem das neue Infektionsschutzgesetz nachgebessert werden.
Die FDP und die Freiheit
Für die FDP bedeutet es jedes Mal einen schmerzhaften Einschnitt in ihre individualliberale Glaubwürdigkeit, hatte die Partei doch mit der Freiheits- und Grundrechtsbetonung besonders viele junge Wähler gewonnen. Auch wenn Wolfgang Kubicki die allgemeine Impfpflicht für "Rache" an den Ungeimpften hält – die pandemische Wirklichkeit in dieser vielleicht größten Krise in der Geschichte der Republik hat mit solcherlei Zuschreibung wenig gemein.
Corona überschreibt gnadenlos alte politische Grundsätze. Auch hier gilt das Murmeltier-Gesetz: dazulernen hilft und befreit.
Bundestagswahl: größte Schlappe für die Union
Ein Murmeltier-Jahr war es auch für die Union. Am 16. Januar wurde Armin Laschet auf einem digitalen Bundesparteitag knapp mit 521 von 1001 Stimmen zum neuen CDU-Bundesvorsitzenden gewählt. Er hatte sich gegen Friedrich Merz und Norbert Röttgen durchgesetzt.
Und die Murmeltier-Uhr um ein Jahr weitergedreht, traten dann gen Ende des Jahres Merz und Röttgen erneut gegeneinander an, diesmal ergänzt um Merkels Mann im Kanzleramt, Helge Braun.
Dazwischen lagen ein zäher und harter Kampf zwischen Laschet und Söder um die Unions-Kanzlerkandidatur, ein verstolperter Wahlkampf, das Ahrtal-Lachen und das schlechteste Unions-Wahlergebnis aller Zeiten.
Die Ära Merkel geht zu Ende
Aber natürlich lässt sich längst nicht alles über den Murmeltier-Leisten schlagen: Nach 16 Jahren endete die Ära Merkel, ihr Vizekanzler wurde zum Kanzler gewählt, was nur Olaf Scholz schon seit Jahren "gewusst" hatte. Beim Kanzler also leichter Murmeltiereffekt, seine Ampel aber ist eine im Bund noch nie dagewesene Koalition – deren inhaltliche Spreizung fast so groß ist, wie die Aufgaben, die der Dreierbund bewältigen muss.
Die Klimakrise dürfte dabei noch größer sein als die Coronakrise, aber beide Herausforderungen stellen jeweils Grüne und FDP vor Leistungs- und Beweglichkeitsprüfungen.
Phil Connors, eindrucksvoll dargeboten von Bill Murray, hat am Ende die richtigen Lehren aus der alltäglichen Dauerschleife gezogen, er hat sich und sein Sein verbessert und dadurch sogar die Liebe der anfangs so zurückhaltenden Rita gewonnen. Im Berliner Regierungsviertel lief bisher nur der Anfang des Ampel-Films – am weiteren Verlauf wird noch fleißig gedreht.
In Vorfreude auf die Aufführung 2022,
Ihr Theo Koll
Theo Koll ist Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Berlin.
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