Furcht vor China: Japan will seine Streitkräfte aufrüsten

    Sicherheitspolitische Kehrtwende:Japan will Streitkräfte massiv aufrüsten

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    Japan setzte bislang in der Sicherheitspolitik auf Verteidigung. Doch das Land sieht sich durch Chinas Machtstreben und Nordkorea bedroht und rüstet militärisch massiv auf.

    Japanische Kriegsschiffe südlich von Tokio am 6. November 2022
    Japanische Kriegsschiffe südlich von Tokio (Archivbild)
    Quelle: ap

    Die Regierung von Ministerpräsident Fumio Kishida beschloss am Freitag eine historische Änderung der japanischen Sicherheitsstrategie: In Abkehr von der bislang ausschließlich auf Verteidigung ausgerichteten Sicherheitsdoktrin will sich der US-Verbündete künftig in die Lage versetzen, feindliche Raketenstellungen auszuschalten. Dazu will Japan die Militärausgaben bis 2027 verdoppeln:
    • Rund 297 Milliarden Euro sollen über die nächsten fünf Jahre in die Verteidigung fließen.
    • Der Wehretat soll statt bisher auf ein künftig auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen.
    • Bis 2035 sollen rund 130 neue Munitionsdepots gebaut und weitere Satelliten eingesetzt werden.
    • Das Raketenarsenal soll aufgestockt werden - dazu will die Regierung laut Medienberichten 500 TomahawkReaten aus US-Produktion erwerben.

    Japan besorgt über Chinas Ambitionen

    Der Kurswechsel geschieht angesichts eines Sicherheitsumfelds, das die Regierung als das "ernsteste und komplizierteste" seit dem Zweiten Weltkrieg beschreibt. Das militärische Auftreten Chinas in der Region stelle "die größte strategische Herausforderung" aller Zeiten dar, heißt es in dem Sicherheitspapier.
    So wird in Japan befürchtet, dass China in ähnlicher Weise wie Russland mit der Ukraine eines Tages nach dem demokratischen Taiwan greifen könnte. Sorge bereitet auch die nahezu ständige Präsenz von Schiffen der chinesischen Küstenwache in Gewässern um die Inselgruppe der Senkaku im Ostchinesischen Meer, die von Japan kontrolliert, aber auch von China sowie von Taiwan beansprucht wird.

    Kishida: "Neue Ära in der Verteidigung der Demokratie"

    Japans Ministerpräsident Fumio Kishida habe eine "neue Ära in der Verteidigung der Demokratie eingeläutet", schrieb US-Botschafter Rahm Emanuel. Kishida habe eine "klare, unmissverständliche strategische Erklärung zur Rolle Japans als Sicherheitsanbieter im Indopazifik" abgegeben.
    Mit zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung würde Japan laut Medien gemessen am heutigen Stand künftig über den drittgrößten Militäretat der Welt nach den USA und China verfügen.
    Zentraler Punkt der neuen Strategie ist die so genannte "Gegenschlagfähigkeit". Japan kann demnach unter drei Bedingungen einen Gegenschlag starten:
    • Wenn Japan angegriffen wird oder ein Angriff auf eine befreundete Nation Japans Überleben bedroht,
    • es keine geeigneten Mittel gibt, um einen Angriff abzuwehren und
    • solange sich der Einsatz von Gewalt auf ein Minimum beschränkt.
    Dies sei "unverzichtbar", um Raketenangriffe abzuwehren, erklärte Kishida. Unter anderem will Japan Marschflugkörper der Schutzmacht USA kaufen.

    Japan will Waffen zum "Gegenschlag"

    Eine Raketenabwehr allein reiche nicht mehr aus, um mit der "erheblichen Verstärkung" der Raketenarsenale von Ländern wie China und Nordkorea fertig zu werden, so die japanische Regierung. Inwieweit der Besitz von Waffen zum "Gegenschlag" jedoch abschreckend wirken kann, ist ungewiss. Die Regierung in Tokio betont, man halte auch weiterhin an einer ausschließlich auf Selbstverteidigung ausgerichteten Politik fest. Japan werde nicht zu einer Militärmacht.
    Nordkoreas Führer Kim Jong Un. Archivbild
    Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un hat erklärt, er wolle sein Land zur stärksten Atommacht der Welt aufbauen. Nach eigenen Angaben möchte er damit die Bevölkerung schützen.27.11.2022 | 0:42 min
    Im Ernstfall Raketenstellungen auf feindlichem Territorium auszuschalten, betrachtet Japan schon länger als zulässigen Akt der Selbstverteidigung und daher im Einklang mit der pazifistischen Nachkriegsverfassung. Doch angesichts des atomaren Schutzschildes der USA hatte Japan bislang darauf verzichtet, sich mit eigenen Waffen hierzu in die Lage zu versetzen. Dies soll sich jetzt ändern.

    Neue Strategie baut auf Reformen von Abe auf

    Die neue Sicherheitsstrategie baut auf den Reformen des kürzlich ermordeten Ex-Premiers Shinzo Abe auf. Der Rechtskonservative hatte unter anderem 2015 umstrittene Sicherheitsgesetze durchgesetzt, die Kampfeinsätze der japanischen "Selbstverteidigungsstreitkräfte" im Ausland ermöglichen. Damit hat Japan das Recht zur "kollektiven Selbstverteidigung" erhalten und darf künftig in Konflikten an der Seite der USA kämpfen, selbst wenn es nicht direkt angegriffen wird.
    Kritiker beklagten, damit sei die pazifistische Nachkriegsverfassung zur Makulatur geworden. Es kam damals zu den größten Massenprotesten seit fünf Jahrzehnten. Diesmal jedoch blieben Massenproteste aus. Kishida versicherte, seine Regierung werde angesichts eines "Wendepunkts der Geschichte" die eigene "Nation und das Volk verteidigen".

    Asean-Gipfel
    :Die USA buhlen um Einfluss in Asien

    Vor dem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping wirbt die amerikanische Regierung beim Asean-Gipfel um Bündnispartner in der Region.
    von Elmar Theveßen
    US-Präsident Joe Biden lächelt bei seiner Ankunft in der Air Force One zum Gipfeltreffen des Verbands Südostasiatischer Nationen (Asean) in Phnom Penh, Kambodscha, am Samstag, 12. November 2022.
    Quelle: dpa, AFP

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