Hamburger SPD-Grande und Cum-Ex:Kahrs - ein Strippenzieher der alten Schule
von Ralf Zimmermann v. Siefart
19.08.2022 | 06:09
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Die SPD will mit ihrem ehemaligen Hamburger Bundestagsabgeordneten nichts mehr zu tun haben. In der Cum-Ex-Affäre könnte seine Vergangenheit dem Kanzler noch gefährlich werden.
Welche Rolle spielte der Hamburger Ex-Bundestagsabgeordente Johannes Kahrs im Cum-Ex-Skandal? (Archivbild)
Quelle: Kay Nietfeld/dpa
Seine Handynummer ist noch aktiv. Und er selbst ist es auch. Unsere Anfragen per SMS oder Whatsapp liest er ganz offensichtlich, meldet sich aber nicht zurück. Politik ade. Und auch Journalisten ade. Dabei war Johannes Kahrs immer ganz vorne, wenn es um Auftritte auf der großen Bühne ging. Und er mischte mit bei allem, was sich anbot. Und das war eine Menge - als Hamburger SPD-Grande und Abgeordneter in Berlin.
Kahrs mit guten Kontakten und "Leichen im Keller"
Zu Gesicht bekommen hat den Mann kaum jemand, seit er im Mai 2020 der Politik von einem Tag auf den anderen den Rücken kehrte. Angeblich aus Enttäuschung darüber, dass seine Partei ihn, den Oberst der Reserve, nicht zum Wehrbeauftragten des Bundestages machte. Doch ob dies der wahre Grund für den Blitz-Rückzug war, ist bis heute offen.
Kahrs war schon seit 1998 und seinen ersten Jahren im Bundestag gut dafür, seinem Ruf des Strippenziehers mit mancher "Leiche im Keller" alle Ehre zu machen. Dass er für seine Heimatstadt Hamburg dabei manches bewegt hat, gerät heute leicht in Vergessenheit. Einer seiner großen Erfolge etwa war die Beteiligung des Bundes mit mindestens 120 Millionen Euro an einem neuen deutschen Hafenmuseum in Hamburg.
Hamburger SPD nahm Geld von Warburg-Bankern
Auch in der Cum-Ex-Affäre um die Hamburger Warburg Bank hatte Kahrs wohl seine Finger im Spiel. So soll er dazu beigetragen haben, dass der damalige Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) Gespräche mit den damals schon unter Betrugsverdacht stehenden Warburg-Bankern geführt hat.
Half Scholz einer Hamburger Bank, als diese illegale Cum-Ex-Millionen zurückzahlen sollte? Laut Finanzexperte und Ex-Linken-Parlamentarier De Masi gibt es dafür zumindest Hinweise.
Interview
Dass ausgerechnet er, Kahrs, und sein SPD-Kreisverband Hamburg-Mitte 38.000 Euro von eben diesen Bankern annahmen, hat an Alster und Elbe seitdem zu Spekulationen geführt. Zumal die Spenden genau zu jener Zeit flossen, als gegen das Bankhaus Warburg bereits ermittelt wurde.
Hohe Summen im Schließfach gefunden
Jetzt wurde auch noch publik, dass Ermittler auf Geheiß der Staatsanwaltschaft Köln über 214.000 Euro in einem Bankschließfach von Johannes Kahrs gefunden haben. Geld, das zwar nicht sichergestellt wurde, dessen Herkunft und Bestimmung aber mehr als dubios scheinen.
Die Warburg-Banker bestreiten, das Geld an Kahrs gezahlt zu haben. Er selbst schweigt dazu. Aserbaidschan beispielsweise gehörte aber auch zu den politischen Betätigungsfeldern des emsigen wirtschaftsnahen Politstrategen, der den Linken in der Partei schon als junger SPD-Mann ein Dorn im Auge war.
Aber eine besondere Nähe gab es zwischen Kahrs und Scholz nie. Während Kahrs eher der markigen Fraktion bei den Genossen angehörte und mit dem Seeheimer Kreis den rechten Flügel vertrat, gehörte Scholz immer zu den Ausgewogenen, die im Zweifel lieber schwiegen als sich markant in Szene zu setzen.
Verbindung mit Bankern wäre Gefahr für Kanzler
Im Kalender des Warburg-Bankiers Olearius soll es Hinweise auf Treffen zwischen Scholz, Kahrs und dem Hamburger SPD-Urgestein Alfons Pawelczyk geben. So wäre jede Verbindung, die Scholz' politische Einflussnahme in der Auseinandersetzung mit der Warburg Bank erhärten würde, eine echte Gefahr für seine Kanzlerschaft.
Und Kahrs' zahlreiche Aktivitäten - wenn hier eine Verbindung bestünde - könnten auch zur Gefahr für Scholz werden. Aber der Konjunktiv hat Hochkonjunktur rund um das Hamburger Cum-Ex-Geschehen.
Bislang kein Beleg für Einflussnahme
Bislang hat der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zu Cum-Ex keine heiße Spur. Er stellte ein großes Wirrwarr der Verantwortlichkeiten rund um die zweifelhaften Entscheidungen der Hamburger Finanzbeamten und Beamtinnen fest.
Doch politische Einflussnahme konnten Scholz und seinem Nachfolger als Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD), damals Finanzsenator, bislang nicht nachgewiesen werden. Keine der Zeuginnen und Zeugen aus den Behörden hat so etwas vor dem Untersuchungsausschuss auch nur angedeutet.
Bei Cum-Ex-Geschäften fordern Investoren und Banken die gleiche Steuer mehrfach vom Staat zurück. Dazu werden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch um den Dividendenstichtag einer Aktiengesellschaft herum gehandelt. Die Dividende, also die Gewinnbeteiligung der Anleger, muss von Privatanlegern mit 25 Prozent versteuert werden. Banken oder Fonds können sich die Steuer aber nachträglich vom Staat zurückerstatten lassen.
Bei den Cum-Ex-Deals geschah diese Rückerstattung aber mehrmals. Weil die Aktiendeals so trickreich gestaltet waren, konnte der Staat schwer erkennen, dass er zu viel auszahlte. Das Geschäftsmodell hatte seine Hochphase von 2006 bis 2012. Der deutsche Staat büßte Schätzungen zufolge einen zweistelligen Milliardenbetrag ein.
Und so wird wohl auch der Kanzler bei seiner zweiten Vernehmung an diesem Freitag versuchen, mit großer Ruhe alle Fragen zu beantworten oder sich im Zweifel auch nicht mehr so genau an Details erinnern können.
Doch anders als im April 2021 haben die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses inzwischen eine Vielzahl neuer Fakten und Indizien vorliegen, zu denen Scholz sich verhalten muss. Und erinnern muss. Und das fiel ihm bekanntlich in Sachen Cum-Ex bislang ziemlich schwer.