John Lee wird neuer Regierungschef in Hongkong. Seine Wahl gilt als Zeichen dafür, dass die chinesische Führung die Zügel in der Sonderverwaltungszone noch straffer anziehen will.
Der ehemalige Sicherheitsminister John Lee wurde als nächster Regierungschef für Hongkong bestätigt. Am Sonntag stimmte ein peking-treues Wahlkomitee mit rund 1.500 Mitgliedern über die Nachfolge der scheidenden Regierungschefin Carrie Lam ab. Bei der Scheinwahl trat John Lee als einziger Kandidat an.
Der 64-Jährige gilt als politischer Hardliner und ist berüchtigt für seine absolute Loyalität gegenüber der chinesischen Zentralregierung. In Hongkong ist er wegen seiner aktiven Rolle bei der Niederschlagung der pro-demokratischen Demonstrationen 2019 umstritten.
EU kritisiert die Wahl in Hongkong
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hat im Namen der Europäischen Union den Wahlprozess des neuen Regierungschefs in Hongkong kritisiert:
Borrell teilte mit, die EU fordere die Behörden in China und Hongkong auf, sich an ihre nationalen und internationalen Verpflichtungen zu halten - dazu gehöre auch das Ziel des allgemeinen Wahlrechts bei der Auswahl des Regierungschefs und des Legislativrats.
Lees Wahl: Schon vorher sicher
Der Regierungschef wird in Hongkong für fünf Jahre von einem speziellen Gremium gewählt, dessen Mitglieder größtenteils von China bestimmt werden. Lees Wahl galt als sicher. Er war der einzige Kandidat, wurde von der kommunistischen Führung in Peking unterstützt.
Seit vergangenem Jahr dürfen laut Wahlgesetz zudem nur noch "Patrioten" ein öffentliches Amt übernehmen, das heißt Menschen, die loyal zur Regierung in Peking stehen.
Demokratie-Aktivisten fordern dagegen seit Jahren eine Direktwahl des Regierungschefs und des Parlaments. Drei Mitglieder der Aktivistengruppe Liga der Sozialdemokraten versuchten am Sonntag, zum Sitzungsort zu gelangen und diesen Forderungen Gehör zu verschaffen. Einer von ihnen verteilte Flugblätter, bevor die Polizei eingriff.
Sicherheitsgesetz stellte Opposition stumm
Im Sommer 2020 hat die chinesische Regierung ein vage gehaltenes nationales Sicherheitsgesetz für Hongkong installiert und damit die politische Opposition in der ehemals britischen Kolonie de facto unter Strafe gestellt. Die meisten der kritischen Politiker und Aktivisten sitzen mittlerweile im Gefängnis oder haben sich zurückgezogen.
Hongkongs Ruf als internationale Finanzmetropole hat dabei nicht nur unter den politischen Repressionen gelitten. Auch die Corona-Pandemie hat der Stadt wirtschaftlich stark zugesetzt, insbesondere die erst kürzlich gelockerten Grenzschließungen und strengen Quarantänebestimmungen.
Der Künstler Kacey Wong ist aus seiner Heimat Hongkong nach Taiwan geflohen. Als Kritiker des chinesischen Systems fürchtete er, verhaftet zu werden.
Lees Wahl: Ein Signal aus Peking
Lee, der als Polizeibeamter Karriere gemacht hatte, wurde 2017 Sicherheitsminister und im vergangenen Sommer Chefsekretär der Regierung. Im Wahlkampf versprach er Gesetze zum Schutz vor Sicherheitsgefahren, ein größeres Wohnungsangebot und eine bessere Wettbewerbsfähigkeit Hongkongs.
Lee war eine Schlüsselfigur hinter dem umstrittenen Gesetzesvorschlag von 2019, der die Ausweisung Verdächtiger aus Hongkong nach China vorsah. Er war auch für die Polizeieinsätze gegen Tausende Demonstranten verantwortlich, die monatelang gegen das Gesetz protestierten. Experten sehen seine Wahl als Signal, dass die kommunistische Führung in Peking die Zügel in der früheren britischen Kronkolonie noch straffer anziehen will.